John Stanley
Ten Voluntaries op. 5 for the organ or harpsichord
hg. von Eberhard Hofmann, Urtext
Bei John Stanley (1712–86) fällt einem zunächst – oder vielleicht auch nur – sein berühmtes Trumpet Voluntary in D-Dur aus der Sammlung Opus 6 ein, ein Pflichtstück in nahezu jedem Orgel-Trompeten-Konzert, immer wieder gern gehört (und gern gespielt).
Insgesamt dreißig Voluntaries schrieb Stanley, publiziert in drei Bänden zu je zehn Stück unter den Opus-Nummern 5, 6 und 7. Allen gemeinsam ist eine verhältnismäßig simple Struktur, meist langsamer Einleitungssatz, gefolgt von einem schnelle(re)n Satz. Der technische Anspruch ist zudem sehr moderat gehalten. Gerade dieser Aspekt scheint in Widerspruch zu seiner Reputation zu stehen, die Stanley ab 1734 als Organist der Londoner Temple Church genoss. Kein geringerer als Händel war unter den Zuhörern. Schaut man sich jedoch seine anderen Kompositionen an, etwa die Six Concertos for Organ or Harpsichord, dann erkennt man den wahren Meister und versteht seine Stellung in der Londoner Musikwelt des 18. Jahrhunderts.
Was hat es nun mit den Voluntaries auf sich? Während außerhalb Englands meist repräsentative, von Förderern finanzierte Drucke der besten und bekanntesten Werke eines jeweiligen Komponisten in Umlauf waren, war der Notendruck in England ein rein kommerzielles Geschäft. Mit anderen Worten, der Verleger wollte mit dem Verkauf der Noten Geld verdienen. Somit durften die Stücke nicht zu schwer sein, mussten zudem einen breiten Massengeschmack treffen. Des Weiteren gewähren die Voluntaries einen konkreten Einblick in den Stand des insularen Orgelbaus der „Georgian“-Periode, die in etwas das gesamte 18. Jahrhundert umfasst. Als Standart gilt zu jener Zeit ein dreimanualiges Werk mit Great und Choir, in der Regel ab Kontra-G bzw. Kontra-A, sowie Echo oder Swell, wobei hier die Klaviatur erst bei g° beginnt.
Ähnlich standardisiert wie die Dispositionen jener Zeit sind sowohl die Voluntary-Typen als auch die Registrierungen der entsprechenden Typen. Cornet-Voluntary beginnt mit einen langsamen Diapasons-Satz, gefolgt von schnellem Satz mit Cornet in der rechten Hand. Echo-Voluntary beginnt ebenfalls mit einem langsamen Satz für Diapasons, im schnellen Satz dann entweder Cornet oder Trumpet mit Echo-Wirkungen in entsprechender (gleich bleibender) Klangfarbe. Schließlich noch Full Voluntary mit voller Orgel. Hier ist der zweite Satz dann in der Regel als Fuge angelegt. Eine kleine, unwesentliche Ergänzung, die im Zusammenhang einer Urtextausgabe durchaus im Vorwort Erwähnung hätte finden dürfen: Steht als Registrieranweisung „Diapasons“, ist stets das gleichzeitige Ziehen von Open und Stopped Diapason, also Principal und Gedackt gemeint. Open Diapason wurde nie solistisch gespielt.
Insgesamt eine gut aufbereitete Edition in qualitativ hochwertiger Aufmachung: augenfreundliches Notenbild, griffiges Papier, an den Blätterstellen ist stets die linke Hand frei. Und das Beste: gefällige, hörerfreundliche Musik, die auch von weniger Versierten gemeistert werden kann – ganz so wie zu Zeiten Stanleys.
Wolfgang Valerius