Te Deum
Peteris Vasks Organ Works. Te Deum / Viatore / Canto di forza / Musica seria / Cantus ad pacem
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Was für den Esten Arvo Pärt gelten mag, hat ähnlich wohl auch für den Letten Pe¯teris Vasks Gültigkeit: Komponieren ist für den Predigersohn aus Kurland letztlich ein Dialog mit Gott. Dies zumal, wenn er für die Orgel komponiert, die ihm als ausdrucksmächtigstes aller Instrumente erscheint. Diesen Eindruck dürfte die zu Recht weltberühmte, seit über 125 Jahren nahezu unverfälscht erhaltene Orgel Eberhard Friedrich Walckers im Dom zu Riga mit ihrem faszinierenden Klangreichtum nur verstärken. Ein dort lebender Komponist, findet Vasks, sei geradezu verpflichtet, für dieses Werk zu schreiben. 1883 erbaut und im Januar 1884 eingeweiht, verfügt diese deutsch-romantische Königin der baltischen Orgellandschaft über vier Manuale, Pedal/Schwellpedal, 124 Register und 6718 Pfeifen
Tuomas Pyrhönen aus Helsinki erweist sich auf dieser Einspielung als ein überaus feinsinniger Interpret, der sich mit gebotener Diskretion der andachtsvoll verklärten oder auch emphatisch aufbrausenden Orgelmusik des eloquenten Rigaer Klangpredigers annimmt.
Die fünf 13 bis 18 Minuten langen Orgelstücke der CD repräsentieren das gesamte bisherige Schaffen des Letten für Orgel solo, das zwischen 1984 und 2006 entstand. Pyrhönen, der an der Sibelius-Akademie und bei Ludger Lohmann in Stuttgart studierte, beginnt sein Recital mit dem hymnischen Gotteslob Te Deum von 1991: eine Choralfantasie ohne Choral, könnte man sagen (weder gregorianisch noch protestantisch), inniges Dankgebet für die wiedererlangte Unabhängigkeit Lettlands. Modal getönt, doch mit strahlendem G-Dur-Schluss.
Die zehn Jahre später komponierte, Arvo Pärt gewidmete Wanderer-Fantasie Viatore deutet den Erdenwandel eines Menschen an, der sich auf seinem Lebensweg vom Sternenlicht des Universums erleuchtet fühlt. Indem sich eines der Themen variierend entwickelt, zeichnet es gleichsam die Wachstums- und Altersringe des Wanderers. Das unveränderliche, still entrückte Kontrastthema kündet von der zeitlosen Ewigkeit Gottes.
Canto di forza (2006) ist ein ausgedehnter Klagegesang ohne Worte. Gebetsartig beginnend und zu vierfachem Forte aufrauschend, gleicht seine Form zwei einander überrollenden Wellen. Das 1988 (also zwei Jahre vor der Singenden Revolution) komponierte und 2008 überarbeitete Orgelstück Musica seria spiegelt in seiner durchgängigen, einem lamentoartig absteigenden Motiv entspringenden Chromatik die leidigen Lebensbedingungen in der Endphase der Sowjetherrschaft. Vasks zufolge zeigt das Stück einen schwarzen Himmel mit einem dünnen Lichtstrahl der Hoffnung.
Der Cantus ad pacem von 1984, mit dem das Programm schließt, ist ein klangmächtiges, auf drei Themen gestütztes Konzert für Orgel: eines würdevoll, aber traurig, das andere hell, verspielt und vogelartig (mit Vogellauten chiffrierte Vasks damals die Freiheitssehnsucht seines Volkes), das dritte angespannt und unheilkündend. Im Fugato der Charaktere versinnbildlicht es die Kräfte des Bösen lies: die Panzerrohre und die schwarzen Barrette der Okkupationsarmee.
Lutz Lesle