Feller, Harald
Te Deum (1987/2010) für Orgel
Das bisherige Gesamtopus des 1951 geborenen Organisten und Münchener Hochschullehrers Harald Feller verzeichnet unterschiedlichste Gattungen bis hin zur großen Orchesterbesetzung. Sein Kompositionsstil entwickelte sich in der Auseinandersetzung mit der Musik Messiaens und Alains, aber auch mit dem gregorianischen Choral, indischer Musik und mancher Rhythmen des Jazz.
Emotional aufrüttelnd, mit rezitativisch-improvisatorischem Gestus (frei im Vortrag) beginnt Fellers Te Deum für Orgel und verweist in der rhapsodischen Faktur auf die großangelegten Choralparaphrasen des Pariser Expressionisten Tournemire bzw. seines Nachfolgers am Spieltisch von Sainte-Clotilde Jean Langlais. Auch in seiner harmonischen Sprache nähert sich der bewusst der Tonalität verpflichtete Feller der Stilistik beider französischer Meister hörbar an. Überraschend wird im dritten Takt ein eintaktiges, energisch-rhythmisches Grundmodell exponiert, das wie ein Mantra vielmals wiederholt einen Großteil des insgesamt 24 Druckseiten umfassenden Stücks durchzieht.
Betrachtet man die Partitur näher, so fällt die polyrhythmische Struktur ins Auge, die trotz synkopischer Akzentverschiebungen eine durchgehende Sechzehntelbewegung innerhalb des Vierviertel-Grundmetrums entstehen lässt. Als melodische Keimzelle des Stücks dient dem Komponisten das Anfangsmotiv der allbekannten gregorianischen Te Deum-Melodie (mit den Intervallen kleine Terz und große Sekunde). Einfallsreich und fantasievoll variiert Feller das Viertonmotiv, lässt es in allen Stimmen augmentiert, diminuiert, parallelgeführt in motorischer Bewegung wieder und wieder erscheinen. Die ostinaten Rhythmen verstärken den linearen, spannungsvollen Aufbau, zumal Feller in seinen Registrieranweisungen wirkungsvoll die dynamischen Ressourcen moderner, symphonisch orientierter Orgeln auszunutzen weiß und noch steigert. Ein kurze Unterbrechung der entfesselten ekstatischen Intensität markiert eine mit Ruhig überschriebene Episode: Kantable kanonische Elemente zwischen linker und rechter Hand werden von schnellen ornamentalen Sechzehntel-Triolen umspielt. Hier deutet sich erstmals das epische Moment des Ambrosianischen Lobgesangs in seiner Weite an. Virtuos-toccatische 32stel-Quintolen überlagern diesen jedoch schon bald und leiten über in die ekstatische Reprise (Schneller). Fulminant und effektvoll schließt das Stück mit einer unvermittelt-virtuosen Arabeske, die in einen harmonisch angereicherten Dur-Akkord im fff des vollen Werks mündet.
Zweifellos ist Harald Feller hier eine sehr persönliche und bemerkenswerte Te Deum-Paraphrase für die Orgel gelungen, die nicht zuletzt aufgrund der klaren Strukturen der gemäßigt modernen Tonsprache überzeugt. Das Werk verlangt nach einem technisch und vor allem rhythmisch! versierten Spieler. Der Notentext ist, wie bei Schott gewohnt, übersichtlich gestaltet und daher durchweg gut lesbar. Das Stück rechnet im Übrigen mit einem (mindestens) dreimanualigen symphonisch ausgelegten Instrument (HW, POS, SW).
Jürgen Geiger