Zacher, Gerd

Szmaty – Psalm 22,19 (1968) für Orgel

Isang Yun gewidmet (1968)

Verlag/Label: edition gravis eg 1982
erschienen in: organ 2013/04 , Seite 63

Ähnlich wie die Herausgabe von Zachers kleiner Vocalise ist der Notenband Szmaty überfällig, handelt es sich doch um ein äußerst wichtiges und brisantes Werk aus den 1970er Jahren. Anders als Vocalise ist Szmaty mit einer Dauer von zwölf Minuten raumgreifender. Die Erklärung zum Werk liefert der Verfasser in der Einleitung: „Das polnische Wort ,Szmaty‘ bedeutet Lumpen oder Fetzen. Das Psalmwort heißt in der Lutherübersetzung: ‚Sie haben meine Kleider unter sich geteilt / und über mein Gewand das Los geworfen.‘ Isang Yun war 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst aus der Bundesrepublik Deutschland entführt worden. Die Anklage hieß Spionage (Verwandte und Freunde in Nordkorea) und der Antrag lautete auf Todesstrafe. Erst nach zwei Jahren wurde Yun entlassen. Zu den Initiativen ihn freizubekommen gehörte dieses Stück bei seiner Uraufführung am 4. Mai 1968 in St. Stephani in Bremen. Die Komposition behandelt in instrumentalen Anspielungen die fünf Laute des Titelwortes.“ SZ wird als Rauschen oder Geräuschklänge gedeutet, M als Summen mit dem Jalousieschweller, A als Schallen durch Registeranschlüsse, T als Spucken durch Staccatissimo und Y als Verklingen in 2’-Oktavlage.
Die unterschiedlichen Teile behandeln die aufgezählten Techniken. Die hohe, klagende Sifflöte zu Beginn stürzt in Posaunencluster hinab. Einzelvorführung der Schwellwerksregister, jammernder Dulcian und Bordun sowie Rauschwerk und Cluster sind klangmalerische Anklage des geschehenen Unrechts. Freie und geschlossene Teile münden zum Ende in ein auf der Stelle tretendes Ostinato, das in elf von Fußtonlagen variierten Wiederholungen geführt wird. Erlöschendes Verklingen in der angekündigten 2’-Fußlage beendet die Musik. Die authentische Handschrift Zachers ist einerseits ein Gewinn, da keine Verfälschung durch den Notensatz auftreten kann, andererseits ist es nicht immer einfach, sich aufgrund der Informationen die richtige Spieltechnik zu erarbeiten. Zu empfehlen ist deshalb als Arbeitshilfe unbedingt auch die CD-Einspielung dieses Stücks.

Dominik Susteck