Franck, César

Symphony in D Minor | Cantabile | Pièce Héroïque | Rédemption

Verlag/Label: Hyperion HYP 68046 (2013)
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 53

5 von 5 Pfeifen

Es sei gleich zu Anfang bemerkt: Diese Aufnahme mit Transkrip­tionen und Originalwerken César Francks in der St. Paul’s Cathedral London ist ein wahres Fest für die Sinne. Der junge Organist und Assistant Director of Music der St. Paul’s Cathedral vermag es auf ausgesprochen überzeugende Weise, in dem immens großen Raum mit „seiner“ Orgel die Musik des Meis­ters von Ste. Clotilde zum Klingen, ja zum Sprechen zu bringen.
Das monumentale Instrument, ein Meisterwerk des englischen Kat­hedralorgelbaus, geht in seinen Ursprüngen auf ein Werk von Father Smith aus dem Jahr 1697 zurück, von dem noch einiges im Pfeifenwerk der heutige Orgel erhalten ist. Die Chancel Section wurde maßgeblich 1872 von Henry (Father) Willis erbaut und bis 1930 von der Firma Willis immer wieder vergrößert. Das heutige Orgelwerk, erbaut von der renommierten Londoner Firma N. P. Mander Ltd., integrierte diese gewachsene Substanz in einem überaus gelungenen Neubau aus den Jahren 1972–77. Er vereint den gewaltigen symphonischen Teil im Chorraum der Kathedrale mit einer Dome Section unter der Kuppel (inklusive einer bronzenen Trompette Militaire) sowie einer West Section mit den Royal Trumpets über dem Westeingang. 2007/ 2008 wurde die Orgel gereinigt und generalüberholt, die Tubaregister in der Dome Section erneuert; 2010 wurde ein zweiter Generalspieltisch im Kuppelbereich gebaut.
Simon Johnson beginnt seine CD mit einer eigenen, phänomenalen Bearbeitung der großen d-Moll-Symphonie für Orchester von César Franck und beschließt sie mit Daniel Roths genialer Transkription des Symphonischen Zwischenspiels aus Rédemption. Johnsons Bearbeitung ist in mehrfacher Hinsicht überaus gelungen: Auf der einen Seite setzt er den Orchestersatz in typisch Franck’sche Orgelregis­trierweisen konsequent um, ohne in Schemata zu verfallen oder die weitaus größere dynamische Breite eines großen Orchesters unberücksichtigt zu lassen. Auf der anderen Seite überführt er Instrumentalsoli, die sich aus der Partitur ergeben, in sinnesberauschender Weise, wobei er aus dem vollen Fundus der berückenden Solostimmen seiner Orgel schöpft. Dabei ist Johnsons Spiel weder pastos noch erdrückend, er vermag es Höhepunkte zu setzen, ohne bei jedem fortissimo schon das ganze Pulver zu verschießen. Sehr fein überzeugende kammermusikalische Abschnitte, eine klare Artikulation, eine dem Sinnzusammenhang und der Überakustik des Riesenraums dienende Agogik sowie subtilster Gebrauch der verschiedenen Schwellwerke vervollkommnen den überwältigenden Eindruck.
Die beiden Originalkompositionen Francks dagegen werden meist so registriert und agogisch gestaltet, wie es die Ste. Clotilde-Tradition überliefert hat, bei der Pièce Héroïque verwendet Johnson interessanterweise den alternativ überlieferten Schluss.
Im Hinblick auf die als absolut „krass“ zu bezeichnende Überakus­tik der zweitgrößten Kirche der Welt sind die Aufnahmetechnik wie das musikalische Ergebnis des Interpreten als kongeniale Meisterleis­tung zu bezeichnen.

Stefan Kagl