Vierne, Louis

Symphonie en la mineur op. 24 / Transcriptions pour Orgue

Trésor de l’Orgue français, Vol. 13

Verlag/Label: Edition Lade, EL CD 039 (2008)
erschienen in: organ 2011/01 , Seite 58

Bewertung: 4 Pfeifen

Auf der Suche nach neuen – lohnenswerten! – Werken für Orgel abseits der ausgetretenen Pfade des vielfach „integral“ eingespielten gängigen Orgelrepertoires suchen immer mehr OrganistInnen in der hierzulande – im Gegensatz etwa zum angelsächsischen Kulturraum – lange Zeit eher verpönten Transkriptionspraxis ursprünglich nicht für Orgel geschriebener Stücke Zuflucht. Kein Geringerer als der versierte Instrumentator Charles-Marie Widor, Verfasser einer in Frankreich sehr erfolgreichen Instrumentationslehre, wies auf die Probleme dieses Unterfangens hin, da der statische Orgelklang die Flexibilität der Orches­ter­instrumente, insbesondere der Streicher, nur unzureichend wiedergeben könne. Als umso gelungener ist daher die Idee zu betrachten, Louis Viernes einzige Orches­tersinfonie in a-Moll (op. 24) für die Orgel zu adaptieren und ein­zuspielen, realisiert von Thomas Schmögner in der  Reihe „Trésor de l’Orgue français“ der österreichischen Edition Lade.
Gleich zu Beginn der CD erklingt mit Viernes Transkription von Sergej Rachmaninoffs Prélude cis-Moll ein eindrucksvolles Werk, das bisweilen in Orgelprogrammen begegnet – und insbesondere in der Originalversion für Piano solo bis heute nichts von seiner Popularität eingebüßt hat. Schon wesentlich seltener zu hören sind die Cinq Pièces pour Harmonium (1864)  von César Franck, hier ebenfalls in der Orgelfassung seines Schülers Louis Vierne. Schmögner spielt die meist lyrisch-expressiven Stücke des „Fra Angelico der Klänge“ (Tournemire) mit großem Einfühlungsvermögen und Stilsicherheit.
Eine echte „Découverte“ bietet für alle Fans der französischen Orgelsymphonik die Orgeleinrichtung der Symphonie für Orchester op. 24 in a-Moll durch Schmögner. Vierne schrieb dieses gewaltige Werk von über 300 Seiten Partitur in den beiden Jahren 1907/08, also zwischen seiner zweiten und dritten Orgelsymphonie. Obwohl ihm wegen seines Augenleidens die Arbeit allein physisch das Äußerste abverlangte, nahm er die Instrumentation selbst vor, weshalb sich die Fertigstellung wohl über ein Jahr hinzog. Un­überhörbar ist bei diesem spät­romantischen Orchesterstück auch der Einfluss des klanglichen Kosmos Aristide Cavaillé-Colls, der Viernes orchestrale Vorstellungen hörbar formt. Die Idee, dieses de facto ungespielte und quasi unbekannte Werk für Viernes eigentliches Instrument, die symphonische Orgel, zu bearbeiten (und einzspielen) und so einem breiteren Pub­li­kum zugänglich zu machen, verdient fraglos Anerkennung. Das expres­sive hochsymphonische Instrument in dem zudem auch akus­tisch vorzüglichen Orgelraum von Saint-Antoine-des-Qinze-Vingts in Paris stellt eine in jeder Hinsicht glückliche Wahl für dieses diskografische Projekt dar. Bleibt zu hoffen, dass die Partitur von Schmögners Bearbeitung demnächst für jedermann im Druck zugänglich sein wird.

Christian von Blohn