Hindemith, Paul

Symphonie „Mathis der Maler”

für Orgel eingerichtet von Heribert Breuer (2012)

Verlag/Label: Schott Music, ED 21775
erschienen in: organ 2014/01 , Seite 63

Noch bevor Paul Hindemith im Sommer 1935 seine Oper Mathis der Maler fertigstellen konnte, fügte er daraus drei Szenen zur gleich­namigen Programm-Sinfonie zusammen. Bereits am 12. März 1934 wurde diese von den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler mit durchschlagendem Pub­likumserfolg uraufgeführt; dessen ungeachtet wurden Hindemith und sein Musikwerk seitens der Nationalsozialisten unaufhaltsam diskreditiert und verfemt. Mit einem Aufführungsverbot belegt, konnte die Uraufführung der eigentlichen Oper erst 1938 am Züricher Stadttheater stattfinden. Der Komponist emigrierte wenige Monate später in die Schweiz und schließlich 1940 in die USA.
Das von Hindemith selbst verfasste Libretto thematisiert Episoden aus dem Leben des Renaissancemalers Matthias Grünewald, dem Schöpfer des Isenheimer Altars im elsässischen Colmar. Drei Bildtafeln des Meisterwerks spätgotischer Ikonografie liegen der Sinfonie, die für ein großes Or­ches­ter Bruckner’scher Prägung komponiert wurde, zugrunde. Als Arrangeur umsichtig agierend, richtet Heribert Breuer das gut 27-minütige Werk hier für die Orgel ein. In der ruhig bewegten Einleitung des ersten Satzes „Engelkonzert“ lässt er den Cantus firmus „Es sungen drei Engel“ auf einem zarten 4’-Labialregister obligat im Pedal erklingen, während auf dem Hauptwerk (16’/ 8’/4’) das Engelschweben mit teils pentatonischen Melodiebögen der Streicher nachgezeichnet wird. Drei Themen werden in der nachfolgenden Exposition („Ziemlich lebhafte Halbe“) vorgestellt, der sich ein mu­sikalisch dichter Durchführungsteil anschließt, ehe die verkürzte Reprise den ersten Satz beschließt. Der He­rausgeber nutzt hier sinnreich die Werkteiligkeit der Orgel, um den polyphon-kontrapunktischen Satz und die aus dem Vorbild des Barock und der Klassik gespeiste durchsichtige Instrumentation Hindemiths so weit als möglich zu abzubilden; so etwa, wenn die Streichergruppe (auf dem Schwellwerk oder Rückpositiv) gegen die fff-Einwürfe des großen Blechs (Hauptwerk mit allen Plenumzungen) gesetzt wird. Idealerweise sollte die Orgel über ein Rückpositiv (kann ggf. „durch ein Oberwerk ersetzt werden“) und mindestens ein schwellbares Manual zur Gestaltung der „dynamischen Übergänge“ verfügen. Hindemiths persönliche Eigenart der Melodiebildung zeigt sich besonders anschaulich in den ausdrucksstarken Holzbläserkantilenen des „sehr langsam“ überschriebenen zweiten Stücks „Grablegung“.
Der letzte Satz „Die Versuchung des heiligen Antonius“ ist ein großes symphonisches Klanggemälde von ca. 15 Minuten Dauer voll pa­ckender Dramatik und furiosem Impetus. Hindemith schildert die Anfechtungen des Heiligen mittels eines komplexen Orchestersatzes, durch Schichtung und Verschränkung der Stimmen sowie dem wirkungsvollen Einsatz orchestraler Ef­fekte, etwa der Perkussionsinstrumente (Pauke, kleine Trommel, Be­cken) und der Streicher (Tre­moli). Das abschließende, von den Blechbläsern vorgetragene „Alleluia“ (Breite Halbe), kann an der Orgel idealerweise auf einem klangstarken Bombarden- bzw. Chamadenwerk gespielt werden.

Jürgen Geiger