Werke von J. S. Bach, Mendelssohn, Reger, Messiaen, Wagner, Fauré, Naji Hakim und Louis Vierne

Sounds of The Centuries

Die große Orgel von St. Margaret München; Christian Bischof, Orgel

Verlag/Label: Organum classics OGM 201056 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2021/04 , Seite 61

Bewertung: 4 von 5 Orgelpfeifen

Wie präsentiert man eine frisch renovierte Orgel von ihrer besten Seite? Und dies einem möglichst großen Kreis von mehr, im Zweifelsfall auch eher weniger interessierten Menschen? Mit Bachs „Ohrwurm“ natürlich, der Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565)! Genau dies tut Christian Bischof an der Orgel der Kirche St. Margaret in München. Wenn das wie hier so spritzig, lebendig und geradezu wie improvisiert geschieht, ist das schlicht und einfach gute Werbung – für Bachs „Sturm-und Drang-Stück“, für das Instrument und nicht zuletzt auch für den Interpreten! Und ein bravouröser Einstieg in das nachfolgende Programm dieser Scheibe ist es auch.
Mit ihr gibt Christian Bischof sein CD-Debüt und macht sich auf eine kleine Reise durch deutsch-französische Klangwelten des 19. und 20. Jahrhunderts, die ganz vortrefflich die Vorzüge der vom Hause Klais im letzten Jahr fertiggestellten Orgel (III + P/76) he­rausstellt. In ihr finden sich Regis­ter aus den Vorgängerorgeln von 1915 und 1954.
Wirksam wie Bach zu Anfang ist auch das Finale der CD mit Louis Viernes Carillon de Westminster. Dazwischen liegen das lyrisch gehaltene „Ave Maria“ aus Max Regers Zwölf Stücken op. 80, die ganz zauberhaft „orchestrierte“ „Sicilienne“ aus Gabriel Faurés Suite Pelléas et Mélisande und eine im ersten und letzten Abschnitt tempomäßig sehr ge­dehnte Version von Olivier Messiaens „La vierge et l’enfant“ (aus La Nativité). Etwas mehr verschwommenes, vernebeltes Licht würde gut zu Viernes Clair de lune passen, das eher spröde vom Mond herabscheint.
Christian Bischof lässt es auf „seiner“ Orgel aber auch mächtig krachen. Und sie hat da einiges zu bieten: in der Bearbeitung der Ouvertüre des Oratoriums Paulus von Felix Mendelssohn Bartholdy, erst recht in Richard Wagners Meistersinger-Ouvertüre – wie geschaffen für die machtvollen, gleichwohl nirgends aufdringlich wirkenden Hoch­druckzungen. Ein Fest für die Ohren!
Zwei Highlights hält diese Aufnahme, die generell sehr viel und sehr gelungen den Raumklang einfängt, bereit. Zum einen Regers Morgenstern-Fantasie. Christian Bischof erweist sich als genauer Exe­get des Inhalts jeder der fünf Liedstrophen, gestaltet mit feiner, immer sehr organisch wirkender Agogik – und mit dem nötigen Zugriff, etwa in der rasanten Fuge, mit der Reger seine Fantasie krönt. Zum anderen Naji Hakims Te Deum aus dem Jahr 1997. Hakim „at his best“ – exakt der Stil, den der Titulaire von Sacré-Coeur in Paris in den 1980er Jahren beim Improvisieren gepflegt und über den man damals maßlos gestaunt hat. Bischof hat für Hakims unerhörte Klänge genau die richtige Orgel, liefert jene „Attacke“, die diese Musik so einzigartig macht. Musik der frühen Jahre Hakims, die um Klassen besser ist als vieles der doch oftmals flachen Kompositionen, von denen der Meister gerade in den letzten Jahren viele zu Papier gebracht hat.
Ein perfektes Orgel-Porträt und ein überzeugender Auftritt des Interpreten Christian Bischof!

Christoph Schulte im Walde