Sorties der französischen Romantik für Orgel

hg. von Andreas Willscher und Hans-Peter Bähr

Verlag/Label: Dr. J. Butz Musikverlag, BU 2700
erschienen in: organ 2015/04 , Seite 59

Unter dem Titel Sorties der französischen Romantik erschien in diesem Jahr neu als Band 11 der Reihe „Die besondere Gattung“ beim Butz-Verlag ein Kompendium von Orgelstücken französisch-romantischer und post-romantischer Provenienz, die dem Titel nach als Nachspiele zum Gottesdienst Verwendung finden können. Im dreisprachigen Vorwort (D/E/F) der Edition wird u. a. die Zielgruppe benannt, nämlich nebenamtliche OrganistInnen (C-Diplom), denen hier ein erweitertes Repertoire zum liturgischen Gebrauch an die Hand gegeben werden soll.
Man ist angesichts der Vielfalt der einzelnen, größtenteils unbekannten Stücke, angenehm überrascht: Tanzartige Typen wie ein Opusculum von Louis Raffy, das schlichte, aber wirkungsvolle Grand Jeu von Adolphe Querm oder das schon etwas anspruchsvollere Stück­chen von Samuel Rousseau lassen das Pedalspiel ad libitum noch zu, während fortschreitend die Füße zunehmend obligat gebraucht werden. Die liturgische Verwendbarkeit beschränkt sich dabei nicht auf den Ausgang (Auszug) der Messe, wie der Name impliziert, sondern man kann viele Stücke auch an anderer Stelle, etwa zum Introitus oder Offertorium, sehr gut positionieren.
Ernsthafte und heitere, bei dem Sortie ou Offertoire von Gabriel Baille sogar ins Opernhafte gesteigerte Musik wechselt sich ab. Die meis­ten der in die Sammlung aufgenommenen Komponisten sind heute na­hezu unbekannt, von einigen prominenten Namen wie Lefébure-Wély, Tournemire und Dupré  abgesehen. Dankenswerterweise ist am Ende des Bandes zu jedem Autor eine Kurzbiografie abgedruckt. Ebenso begrüßenswert ist das ebenfalls dreisprachige Glossar, das seltsamerweise auf Seite 37 platziert wurde.
Zwar schreiben die Editoren im Vorwort davon, dass Berufsorga­nis­tInnen die Werke als willkommene Prima vista-Literatur gebrauchen können, allerdings muss man doch für einige der Sorties in jedem Fall doch etwas Vorbereitungszeit in­ves­­tieren, beispielsweise für das im Marsch-Duktus gehaltenene und mit überraschenden Wendungen auf­wartende Stück von Charles Tournemire oder die Sortie-Étude von Albert Perilhou, die als regelrechtes Pedal-Exerzitium daherkommt.
Für improvisatorisch begabte OrganistInnen können viele der Kompositionen durch den motivischen Reichtum und die Formanlage (oft A–B–A) auch Anregungen sein, in diesem Stil etwas Ähnliches aus dem Stegreif zu erfinden. Alles im allem handelt es sich bei dieser Sammlung, vorausgesetzt, man mag diese Stilistik, um eine lohnenswerte Erweiterung der eigenen praktischen Notenbibliothek.

Christian von Blohn