Ulrich, Stefan M. R.

Sonntagmorgenfrühauf­steherblues

12 Jazz-Präludien für Orgel

Verlag/Label: Doblinger 02 491
erschienen in: organ 2013/04 , Seite 62

„Den Sonntagmorgenfrühaufsteher­blues kennen viele Organisten sicher aus eigener Erfahrung“, schreibt Stefan M. R. Ulrich im Vorwort seiner Sammlung: „Wenn der Abend lang wurde und man am Sonntag in der Frühe trotzdem auf der Orgelbank sitzen muss.“ Ein insgesamt gut lesbares Notenbild (mit einer leeren Wendeseite) sowie eine farbige Gestaltung des Covers hinterlassen beim Rezensenten jedoch keine „Bluesgefühle“, wenn man eine nicht zu schwere und zugleich abwechslungsreiche Sammlung von Orgelstücken erwartet. Um einer Schüler- oder Studentengruppe den Einstieg in die Musiksprache von Jazz und Pop zu ermöglichen, ist diese Sammlung indes durchaus ge­eignet.
Ulrich, der zunächst Kirchenmusik in Greifswald und dann Jazz- und Popularmusik in Saarbrücken studierte, erklärt in seinem Vorwort vergleichsweise ausführlich die Improvisationspraxis, Solostellen, den Einsatz von Blasinstrumenten sowie mögliche Kürzungen. Fast alle Stücke weisen Chorus-Teile auf, bei denen der Spieler improvisieren kann und das Lesen von Jazzharmonie-Symbolen vorausgesetzt wird. Diese Abschnitte sind in Stichnoten notiert, und damit der in solchen Dingen wenig geübte Spieler nicht ganz alleine gelassen wird, bietet der Komponist außerdem in Stichnoten ausgeschriebene Soli an. Ebenfalls gut überlegt sind die genauen Notationen zu Dynamik, Artikulation, Tempo und zur Ausführung der (punktierten) Achtelnoten.
In der Ausgabe findet sich zudem der Hinweis auf einen Link, wo man alle Stücke von Stefan Ulrich in einer Tonaufnahme nachhören kann (allerdings klingen einige Stücke rhythmisch „verwackelt“. Etwas mehr Leidenschaft und musikalische Freiheit hätten den Chorus-Passagen sicherlich gut getan.
Humoristische und hintersinnige Titel finden sich bei fast allen Preludes. So spektakuläre Namen wie Funk sei Dank oder Sauerkohl Stomp lassen der Fantasie des Hörers weiten Raum: der Sauerkohl Stomp (S- und K- Rhythmus im frühen Jazz) mit Taktwechsel und einem Yankee Dodle-Thema. Ebenfalls sehr originell: What so Reggae, ein Wortspiel, in dem der legendäre Standard So what von Miles Davis im Pedalsolo und in den ersten (So what-) Akkorden zitiert und mit einem Reggae-Rhythmus verwoben wird. Pentatonic Dialogue wiederum erzeugt Assoziationen zu einer Meditation mit Quart-Akkorden. Die Musette bietet einen raffinierten Jazz Waltz mit charakteris­tischer Hemiole. Präludium Nr. 5 hält typische Gospelklänge parat. Rock-Anklänge wiederum findet man in Pipes of Steel, und Vivum Praeambulum. Der Jazz am Sonntag, Intermezzo, eine ruhige Popballade sowie Rondo runden die Sammlung sinnreich ab.
Schade nur, dass nicht mehr Registrieranweisungen gegeben werden. Somit bleibt nur die Aufnahme im Internet, um sich eine genauere Orientierung zu verschaffen. Bleibt zu hoffen, dass die Sammlung einen möglichst jungen Käuferkreis finden wird und so ihr Anliegen einlösen kann: sich auf spielerisch-
humoristische Weise der Orgel zu nähern.

Johannes Gebhardt