Guillou, Jean

Sonate en Trio No. 2 op. 82

Verlag/Label: Schott ED 21731
erschienen in: organ 2015/01 , Seite 60
Wer nach einer modernen Alternative zu J. S. Bachs Sechs Triosonaten sucht, findet in der 2014 entstandenen Sonate en Trio No. 2 von Jean Guillou (geboren 1930) eine zeitgemäße Umsetzung der Problematik des unabhängigen Spiels von drei Stimmen auf zwei Manualen und Pedal. Dabei benutzt der Komponist den Titel eher im Sinne Domenico Scarlattis, also als einsätzige Form.
Die Schwierigkeiten der Sonate en Trio No. 2 , die in einer gedachten, dreisätzigen Sonate nach dem Formschema Bachs den Mittelsatz darstellen könnte, liegen in der Darstellung komplexer rhythmischer Vorgänge, die vom Komponisten kunstvoll übereinander gelagert werden. Kennzeichnend für diesen kurzen Triosatz ist eine arabeske Motivik, die dem Stück eine bizarre Anmut verleiht. Guillous musikalische Idee einer Individualisierung originärer Parameter wie Registerfarben, Harmonik und Motivik sieht man in diesem expressiven Orgelstück aufs Beste realisiert und umgesetzt. Drei Individuen führen einen Diskurs, dabei fallen sie sich gegenseitig ins Wort, imitieren einander, benutzen neue Motive, um von der Thematik abzulenken. Man sieht: ein rhetorischer Exkurs – ganz im Sinne der sprachlich inspirierten, zyklischen Kompositionsform des Komponisten mit dem Titel Colloque. Die erste Sonate en Trio (op. 40) komponierte Guillou bereits 1984 – insofern kann diese Wiederaufnahme nach dreißig Jahren als zweite, zyklische Form mit (hoffentlich) weiteren Episoden gelten.
 
Die dritte Triosonate von Guillou – ebenfalls einsätzig – bildet den gedachten Schlusssatz einer dreisätzigen Form. Hier nun begegnet der Komponist der Orgel mit der kriegerischen Attitüde, dem Instrument seine oft zugedachte Schwerfälligkeit kompositorisch abzusprechen. Dass mit diesem „Perpetuum-mobile-Satz“ im schnellst möglichen Tempo die technischen Skills des professionellen Organisten abgefragt warden, versteht sich von selbst. Das verwundert kaum – denn zahlreiche Kompositionen Guillous befinden sich am Rande der Spielbarkeit (etwa Hyperion, Suite pour Rameau, Regard); die minimalistisch anmutende Reihe der Pièces furtives op. 50 stellt mit ihrer aphoristisch-leichten Ausführbarkeit eher eine Ausnahme dar. Im vorliegenden Werk jedenfalls schafft der Komponist eine durchgehende, atonale Achtelstruktur, die sich teils kanonisch, teils homophon strukturiert. Der motivische Kern des Werks, das ohne jegliches Ritardando – und damit ohne jegliches Pathos – abbricht, liegt in verschiedenen Skalen, die sich akzentverschoben immer wieder nach unten und oben schieben – eine Struktur also, die vor allem das Pedalspiel mit Spitze und Absatz auf eine wenig historisierende, dafür jedoch virtuose Technik trimmt. 
Das Werk verlangt ein Instrument mit einem Manualambitus von C bis h4 und einem Pedalumfang bis zum g1. 
 
Jörg Abbing