Heucke, Stefan

Sonate „Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist“ für Orgel op. 78

Verlag/Label: Schott Music ED 22689
erschienen in: organ 2016/04 , Seite 63

Stefan Heucke, geboren 1959, studierte in Dortmund bei Arnulf von Arnim Klavier und bei Gerhart Schäfer Tonsatz und Komposition. Er bekam zahlreiche Preise, Stipendien, Kompositions- und Lehraufträge und ist in vielen Tonträgerproduktionen dokumentiert bzw. in Aufführungen präsent. Sein Schaffen beinhaltet Lieder für Stimme und verschiedene Besetzungen, Or­ches­terwerke (Sinfonien, Konzerte, Werke für Stimme und Orchester), Kammermusik, geistliche Musik und abendfüllende Werke für das Musiktheater. Ein aktueller Kompositionsauftrag des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin für eine abendfüllende Deutsche Messe für Soli, Chor und Orchester in der Neuübersetzung von Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Luther-Jahr 2017 ist in Vorbereitung.
Die Sonate „Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist“ für Orgel op. 78 ist seit langer Zeit wieder eine Orgelsolo-Komposition von Heucke und basiert auf einer 2014 geschriebenen Fuge über den gleichnamigen Pfingst-Choral Luthers, die dann im darauf folgendem Jahr zu einer Sonate ausgearbeitet wurde. Der erste, mehrteilige Satz „Toccata“ beginnt mit motivischem Laufwerk, das sich aus dem Themenkopf des C. f. ergibt und das ein eigenes Motiv, das sich flehentlich in die Höhe schraubt, begleitet. In linearen Sequenzen wechseln die beiden Oberstimmen die Motivik und bewegen sich in die Tiefe zum Orgelpunkt Des hin, auf dem die erste Zeile des C. f. auf G intoniert wird (diese Gegenüberstellung Des – G begegnet im weiteren Verlauf der Komposition immer wieder), umgekehrt und in Sequenzen wieder in den Bassbereich absteigt. Ein zweiter Teil folgt, bei dem zuerst das Kopfmotiv des C. f. in Pizzicato-Tönen im Pedal erscheint, dann in die rechte Hand wandert und von neobarocken Phrasen umspielt wird. Diese beiden Abschnitte werden vom Kompositionsprinzip her wiederholt, wobei Choralmotive in Umkehrung, Krebs und anderen Permutationen kunstvoll eingewoben werden.
Als zweiten Satz bringt Heucke den Choral, in As intoniert, mit fünf Variationen, deren erste chromatisch die motivischen Keimzellen zerlegt und die zweite, fast in der Manier von Hugo Distler, den C. f. (in der Umkehrung) in ein rhythmisch-motorisches Gewebe von zwei Oberstimmen über einer ruhigen chromatischen Basslinie, verwebt. In der dritten Variation werden dem umgekehrten C. f., abwechselnd im Bass und im Sopran, chromatisch absteigende dreistimmige Quartklänge (Hermann Schroeder lässt grüßen!) beigegeben, während in der folgenden Variation rezitativische Abschnitte mit einer kantablen Oberstimme, die von Seufzermotivik unterlegt wird, abwechseln. Die letzte Variation, die chromatisch das C.f.-Kopfmotiv permutiert, führt in eine Fuge, die den Anfang des Choralthemas in G exponiert, während der Comes immer in Des antwortet. Diese Dualität setzt sich im Finale der Fuge konsequent fort, indem das Thema teils eher tonal, teils atonal verarbeitet wird und am Ende wiederum in toccatenhaften Läufen in Sexten und überraschend tonalen Akkordbrechungen festlich endet.
Insgesamt ist Heuckes Sonate „Komm, Gott, Schöpfer, Heiliger Geist“ stringent linear-polyphon, mit allen damit verbundenen kontrapunktischen Küns­ten, gut für das Instrument Orgel gesetzt und bietet mit 21 Minuten Länge eine Ergänzung zu den bekannten Choralpartiten über das Lied. Die technischen Anforderungen sind einigermaßen mü­helos zu bewältigen, eine größere zweimanualige Orgel reicht hierzu vollkommen aus.

Stefan Kagl