Janitsch, Johann Gottlieb (1707–63)

Sonata in re minore per Organo

hg. von Carlo Centemeri

Verlag/Label: Edizione Carrara 5487
erschienen in: organ 2017/01 , Seite 60

Der italienische Notenverlag Edizione Carrara publiziert im Rahmen seiner Abonnementreihe Rivista di musica per organo, einem Magazin für Orgel und Orgelmusik, jährlich sechs kleine Hefte mit ausgewählten Orgelwerken verschiedenster Komponisten des 17. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart. Hier finden sich mehr oder weniger interessante Wer­ke von uns kaum geläufigen italienischen Meistern (Angelo Baldan, Luciano Migliavacca) neben Transkriptionen bekannter Orchesterwerke (Russische Ostern von Nikolai Rimskij-Korsakov) und der Vorstellung neuerer Orgelmusik (z. B. Florete flores aus der Feder des Wiener Organisten und Hochschullehrers Pier Damiano Peretti). Die Zahl der die jeweiligen Veröffentlichungen betreuenden Herausgeber ist dabei in etwa so groß wie die Anzahl der bisher vorliegenden Bändchen.
Dem Rezensenten liegen die Ausgaben 3/2016 (Mai/Juni) und 4/2016 (Juli/August) zur Beurteilung vor. Ausgabe 3 widmet sich einer Trio-Sonate in D-Dur von Johann Gottlieb Janitsch (1708–63), der aus dem Umfeld der Berliner Hofmusik zur Zeit Friedrichs II. stammt und sich nachmalig verdienstvoll um die Entstehung eines bürgerlichen Musikwesens in Berlin kümmerte. Tatsächlich ist das vorliegende Werk eine Trio-Sonate für Orgel und entstammt einem Konvolut der ehemals Königlichen Bibliothek zu Berlin (heute: Preußische Staats-Bibliothek). Interessant ist eine offensichtlich originale Registrieranweisung, die dem zweiten Manual eine vierfüßige Octava in tiefer Lage zugedacht hat. Das dreisätzige Werk ist recht hübsch in seiner Wirkung und repräsentiert den von Philipp Emanuel Bach und dessen Kollegen geprägten „Berliner Stil“ vom Ende des hochbaro-cken Zeitalters. Der Heraus­geber des Heftchens, Carlo Centemeri, gibt im Vorwort (leider nur in Italienisch) einen Abriss von Janitschs Vita und eine Quellenangabe, außerdem eine Erläuterung der vorgefundenen Registrier- bzw. Dyna­mik­angaben zu Protokoll.
Ausgabe 4, von Francesco Tasini betreut, widmet sich den Variationen über „Nun danket alle Gott“ aus der Feder von Christian Heinrich Rinck (1770–1846), der an der Schwelle zum 19. Jahrhundert als schulbildender Orgelmeister große Bedeutung erlangte und seinerseits noch Unterricht bei Bachs letztem Schüler Johann Christian Kittel erhalten hatte. Die sechs Variationen entstammen dem vierten Teil der Sammlung Der Choralfreund oder Studien für das Choralspielen op. 115 aus dem Jahr 1835. Die geschickt im nachbarock-klassischen Stil Rincks gearbeiteten Variationen lassen sich bestens im Gottesdienst verwenden und verfehlen ihre Wirkung keinesfalls, wenn sie geschmackvoll regis­triert dargeboten werden; die technischen Anforderungen sind zudem gering.
Das Notenbild beider Ausgaben ist übersichtlich und angenehm, die jeweiligen Vorreden sind leider nur in italienischer Sprache veröffentlicht – hier wäre eine zusätzliche englische Version hilfreich.

Christian Brembeck