Harald Feller (*1951)
Sonata da chiesa für Cello (Viola) und Orgel
Musik für Cello und Orgel war lange Zeit etwas, wonach die Musiker:innen mühsam suchen mussten. In der Romantik gab die beiden „Tonstücke“ von Theodor Kirchner und das „Prière“ von Saint-Saens, in der frühen Moderne kamen Werke von Karl Höller oder Hermann Schroeder hinzu. In jüngster Zeit entstanden viele neue Stücke, sodass es mittlerweile ein recht vielfältiges Repertoire für diese Besetzung gibt. Harald Fellers „Sonata da chiesa“ ist eine interessanter Literaturbeitrag. Der 1951 in München geborene Organist und Kirchenmusiker gehört seit langem zu den bekanntesten deutschen Organisten. 1983 gewann er den renommierten Orgelimprovisationspreis in Haarlem und seine Liszt-Aufnahmen wurden mit dem „Grand Prix de disque Liszt“ ausgezeichnet. Bekannt ist er für seine vorzüglichen Interpretationen der Orgelmusik von Alain, Vierne und Messiaen. Feller studierte an der Musikhochschule in München Orgel bei Franz Lehrndorfer und Komposition bei Robert Helmschrott. Später vervollständigte er seine Studien bei Marie Claire Alain in Paris. Seit 1983 wirkt er als Orgelprofessor an der Münchener Musikhochschule.
Als Komponist hat sich Feller ebenfalls einen Namen gemacht und schrieb zahlreiche Orgelwerke, Chormusik sowie Klavier- und Kammermusik. Seine „Sonata da chiesa“ ist in mehrfacher Hinsicht interessant: zum einen kennt Harald Feller die historische Dimension der „Sonata da chiesa“ und führt im Vorwort aus, dass sie in der Barockzeit vor allem im Kirchenraum gespielt wurde, während die „Sonata da camera“ der Unterhaltung in weltlichen Konzerten an fürstlichen Höfen diente. Feller sieht seine Sonate als geistliche Musik, was mit dem Entstehungshintergrund zusammenhängt: sie ist abgeleitet aus dem Material der „Feldafinger Messe“, die Harald Feller 2006 für den von ihm geleiteten Chor an der Hl. Kreuzkirche in Feldafing am Starnberger See komponierte. Und hier liegt der zweite interessante Aspekt dieser Komposition: Messe und Sonate – passt das zusammen? Ja, es gibt eine musikalische Verbindung zwischen beiden Formen. Wenn die vier Sätze der „Sonata da chiesa“ die Satzbezeichnungen aus dem Messoratorium tragen (1. Kyrie eleison – 2. Gloria in excelsis deo – 3. Sanctus/Benedictus – 4. Communio), dann ist das nur auf den ersten Blick verwunderlich. Bei genauerer Betrachtung der Musik zeigt sich, dass es eine Gemeinsamkeit gibt: die verschiedenen Teile der Messe besitzen ja einen unterschiedlichen Stimmungsgehalt, etwa im ruhig-bittenden Kyrie, im freudigen Gloria und Sanctus oder im besinnlichen Benedictus und der meditativen Communio. Dieser Wechsel zwischen ruhigen und bewegten Tempi, zwischen den unterschiedlichen emotionalen Affekten der einzelnen Sätze ist etwas, das letztlich auch die Sonate mit ihren unterschiedlichen Tempi und Charakteren prägt.
Musikalisch ist Fellers „Sonata da chiesa“ ein interessantes und dankbares Stück. Da die Solostimme sich an den Chorsatz anlehnt, ergibt sich wie von selbst eine sehr gesangliche Anlage der Streicherstimme. Die Melodik erinnert ab und zu an die Gregorianik, sie ist linear geführt, durchweg expressiv und insgesamt sehr lebendig und sprechend. In den bewegten Sätzen arbeitet Feller häufig mit Taktwechseln, motorischer Rhythmik und temperamentvoller, spannungsreicher Harmonik. Die Klangsprache ist tonal, schöpft aber die Möglichkeiten der Tonalität wirkungsvoll aus. Insgesamt handelt es sich um ein dankbares Stück für Streicher (Cello oder Viola) und ein Blick in die Originalpartitur der Messe zeigt auf, woher vielleicht die Idee stammt, aus ihr eine Sonate für Cello und Orgel zu machen: der 4. Satz „Communio“ hat eine sehr expressive Cellocantilene (ab T. 17), die so wörtlich auch in der Messe vorkommt. Dort kontrapunktiert das Cello den Chorgesang und verleiht dem Schluss eine ausdrucksstarke Wirkung. Ein dankbares Stück für Konzerte oder kirchenmusikalische Andachten.
Rainer Mohrs