Lehmann, Hans Ulrich

Sonata „da chiesa“ (1971) für Violine und Orgel

Verlag/Label: edition gamma EGA 970
erschienen in: organ 2012/02 , Seite 60

Das bei der edition gamma neu herausgekommene Werk hat bereits Verlagsgeschichte hinter sich. 1973 beim Musikverlag Hans Gerig in Köln erschienen, wechselte es 1980 zu Breitkopf & Härtel, Wiesbaden. 2011 wurde es von der edition gamma, Bad Schwalbach, neu verlegt. Der alte, mit neuem Umschlag versehene Notensatz erfüllt seine Zweckmäßigkeit. Sicher ist von einem Nischenstück nur eine einfache Reproduktion zu erwarten. Dennoch lässt sich fragen, ob Verlage nicht neue, kreativere Wege gehen sollten, als die Noten einfach in Kopierqualität vorzulegen.
Bei genauer Durchsicht zeigt sich, dass die Komposition eindeutig zu den höherwertigeren Stücken gehört, die bei der edition gamma druckfrisch herausgekommen sind. (Zeitgleich edierte Noten wie die Vier Stücke von Hans Eugen Frischknecht für Trompete und Orgel sind nicht nur musikalisch fragwürdig, sondern in einer Handschrift abgeschrieben, die nicht einmal Notenhälse und Balken mit Lineal begradigt. Solche verlegerische Schwäche wundert in der heutigen Zeit, wo allen ein druckfähiges Computerprogramm zur Verfügung steht.) Sowohl der aus den 1970er Jahren stammende Notensatz als auch die vorliegende Komposition Lehmanns sind jedoch von größerer Qualität. Satz und Notation sind exakt und überzeugend ausgestaltet.
Im Bogendruck differenzierte Violinklänge changieren zwischen Ton und Geräusch, klingen auf, ebben ab, brechen sich. Die Orgel führt diskrete Luftklänge ein. Es entsteht spannende Musik, die zum Nachhorchen verführt. Die Hansheinz Schneeberger gewidmete Komposition ist in mehrere Sätze unterteilt, die eine je unterschied­liche Charakteristik vorweisen. Der erste Satz „incipit“ thematisiert die Entstehung der Töne. Im zweiten Satz „invocat“ wechseln bewegte Liegeklänge und blitzartige Tonhöhen einander ab. Der dritte Satz „(inter-) medium“ verbindet unruhig verschiedene Lautstärkeschichten. Zuletzt bewegt sich die Musik mit „silescit“ in die Stille zurück, aus der sie gekommen ist.
Die vier Sätze sind technisch gut zu bewältigen. Sie führen mit einer Spieldauer von acht Minuten in Klangwelten der Neuen Musik ein. Auch für Spieler mit wenig Erfahrung sind sie durchaus spielbar. Es ist schön, dass diese Kammermusik in der seltenen Besetzung Violine und Orgel weiterhin erscheint.

Dominik Susteck