Felix Mendelssohn Bartholdy

Sinfonie Nr. 4 in A-Dur „Italienische“ op. 90 zu vier Händen

bearb. und hg. von Markus Epp

Verlag/Label: Dr. J. Butz Musikverlag, BU 3047
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/02 , Seite 59

„Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh’n?“ Wer kennt ihn nicht, diesen Satz aus Goethes Feder, jenen Satz, der mehr oder weniger den Ursprung deutscher Italomanie begründet. War es im 19. Jahrhundert noch dem betuchten Bildungsbürgertum vorbehalten, sich mit Goethes Italienischer Reise als Reiseführer auf die Spuren des Dichters zu begeben, wurde der Deutschen Italien-Sehnsucht ab den 1950er Jahren als touristisches Produkt massenkompatibel vermarktet.
Mendelssohns sogenannte Italienische Sinfonie schaffte es hingegen ohne jede Vermarktungsstrategie in die Hitliste des klassischen Œuvres und ist bis heute eines der meistgespielten Werke im Konzertsaal. Und anders als es der Beiname suggerieren möchte, es ist kein programmatisches Werk im eigentlichen Sinne. Dennoch evoziert diese ebenso lebensnahe wie -frohe, 1833 in London uraufgeführte Sinfonie eine Flut von (positiven) Bildern und Stimmungen – und sicherlich auch so manches Klischee. „Überhaupt geht es mit dem Komponieren jetzt wieder frisch, die Italienische Symphonie macht große Fortschritte, es wird das lustigste Stück, das ich gemacht habe“, schrieb Felix Mendelssohn an seine Schwester Fanny. Doch weit gefehlt, wer glaubt, es handele sich um den genialen Wurf eines begnadeten Jünglings, dem die Ideen nur so zugeflogen seien. Mendelssohn arbeitete hart daran, überarbeitete das Werk immer und immer wieder.
Dennoch: Wie nur wenigen Komponisten des klassischen Genres gelingt Mendelssohn mit seiner Sinfonie op. 90 ein ausdrucksstarkes, imaginatives Klanggemälde, erschafft er doch Musik als Ort Klang gewordener Sehnsucht. Vielleicht liegt gerade darin eine Verbindung zum Instrument Orgel nahe, kann doch gerade die Orgel im Kirchenraum auf transzendentaler Ebene auch Sehnsuchtsorte eröffnen! Zudem assoziiert der 2. Satz (der in mehreren Orgelbearbeitungen bereits vorliegt) eine durchaus kirchliche Szene, wird er in der Literatur gelegentlich auch als Pilgermarsch – Mendelssohn wohnte einer solchen Prozession in Neapel bei – deklariert.
Markus Epp hat dieses herrliche Opus nun in Gänze für Orgel zu vier Händen bearbeitet. Neben der Partitur diente ihm als Vorlage dabei der von Mendelssohns eigener Hand stammende vierhändige Klavierauszug. Dieser ist in seinem Erscheinungsbild auch unter Verzicht auf gelegentliche klaviertypische Oktavierungen weitgehend beibehalten, bleibt also vom Komponisten quasi autorisiert.
Wenn auch laut Vorwort ein eher französisch symphonisches Klangbild – zumindest in den Ecksätzen – von Vorteil ist, Epp gibt nur gelegentlich konkrete Regis­trierangaben, wohl wissend, dass die Orgel klanglich eben keinen Orchesterklang eins zu eins ersetzen kann. Damit öffnet er jedoch den Horizont für die Fantasie der Spieler, die jeweils beste Lösung für das zur Verfügung stehende Instrument zu suchen respektive zu finden. Ebenso überlässt er es denn auch dem Secondo-Spieler, wann und wo er das Pedal einsetzt. Auf jeden Fall vermieden werden sollte ein zu massiver, dicker Orgelklang. Weniger ist hier mehr, um der Intention des Komponisten und seines Werkes gerecht zu werden, erst recht dann, wenn noch eine hallige Akustik des Kirchenraumes hinzukommt.
Bleibt zu hoffen, dass sich viele Duo-Spieler dieses auch im Druckbild hervorragend aufgearbeiteten Werks annehmen, und damit zukünftig Orgelkonzerte als bereichernd für „normale“ Zuhörer gestalten. Letztere werden sicher auch dankbar sein für einen Mendelssohn, dem nicht die protestantische Erdenschwere seiner Orgelwerke anhaftet. Und wer sich vorerst keinen Italien-Urlaub mehr leisten kann, lässt sich dankbar mit dem unbeschwert-heiteren, luftigen ersten Satz dieser Sinfonie ins Traumland Italien entführen.

Wolfgang Valerius