Frischknecht, Hans Eugen

Sieben Orgelskizzen (1988/93)

Verlag/Label: Edition Gamma, Bad Schwalbach, EGA 166 (2009)
erschienen in: organ 2010/04 , Seite 56

Dem Orgelpublikum dürfte der Name Hans Eugen Frischknecht (geb. 1939) – völlig zu Unrecht – wohl eher weniger sagen, und dies, obwohl er eine ungeheure Breite der eigenen künstlerischen Musikausbil­dung genossen hat: Er studierte von 1959 bis 1962 Komposition bei Boris Blacher, Kontrapunkt bei Ernst Pepping in Berlin sowie Orgel bei Michael Schneider in Köln. Frischknecht interessierte sich zudem für moderne Musik (Zwölftonmusik), die er wiederum in Berlin bei Josef Rufer studierte. 1962 bis 1964 setzte er seine Ausbildung in Paris bei Olivier Messiaen (Komposition) und Gas­ton Litaize (Orgel) fort. Am dortigen Conservatoire Supérieur de Mu­sique studierte er gleichzeitig Cembalo. Studien im Fach Musiktheorie u. a. bei Jörg Ewald Dähler im Schweizerichen Bern rundeten diese professionelle Ausbildung ab. Danach wirkte Frischknecht als Organist und Chorleiter an der Johanneskirche in Bern; seit 1983 unterrichtet er dort an der Hochschule der Künste zudem Improvisation und Musiktheorie.
Frischknechts Sieben Orgelskizzen entstanden 1988-1993. Geschrieben wurden diese kurzen Miniaturen (im Durchschnitt um eine Minute Spieldauer) für eine zweimanualige Orgel: Laut Nachwort dachte der Komponist an „Instrumente in Dorfkirchen oder an Chororgeln in Kathedralen“ – mit Pedal, das allerdings als Minimalanforderung über einen Subbass 16’ verfügen muss. Die Notation erfolgt in „Space No­tation“, d. h. dass die relative Dauer von Notenwerten lediglich durch Abstände im Notenbild wiedergegeben wird.
Frischknecht scheint ein wahrer Bastler zu sein, zudem ein Liebhaber des Sekund-Intervalls; fast alle Sätze lassen sich auf diesen Intervallbaustein zurückführen. In immer neuen Variationen kombiniert er die Sekunde in neue Gesten: flüchtig dahinrauschende Momente. Der Komponist tat gut daran, dieses Werk möglichst vage als „Skizzen“ zu betiteln – für größer dimensionierte Stücke würde sich das durch kompositorische Einlinigkeit gekennzeichnete Kompositionskonzept nicht als tragfähig erweisen. Trotz der (gewollten) Beschränkung im musikalischen Material lebt diese Komposition von der Farbigkeit, vom improvisatorischen Habitus. Die Orgel in ihren unendlich schillernden Klangmöglichkeiten kann vom Interpreten voll genutzt werden (Satz II a); dabei spielt die Sti­lis­tik des Instruments kaum eine Rolle: Während Satz II a für eine „normale“ Orgel (Dorforgel) gilt, wurde Satz II b für eine „romantische“ Orgel geschrieben mit Verwendung von mehreren labialen 8’-Registern (möglichst in einem Schweller).
Die Kompositionen sind sowohl im Konzert (Gesamtdauer: 7 Minuten) als auch im Gottesdienst gut verwendbar. Für den Fall, dass die gottes­dienstliche Verwendung angestrebt ist, schlägt der Komponist für zwei Sätze jeweils eine erweiterte Fassung vor, die im Anhang mitgeteilt werden.
Trotz der Streichung hauptamtlicher Organistenstellen in beiden Kirchen, dem Fehlen von (geeigneten) Studenten im Fach „Kirchenmusik“ und der Übermacht einer auf historische Musik setzenden Musikkultur sollte das hohe verlege­rische Risiko, zeitgenössische und wie hier zumal spielbare Orgelmusik zu edieren, von Seiten der SpielerInnen belohnt werden. Bei einer möglichen Neuauflage sollten die Erläuterungen wenn möglich auch in englischer Sprache erscheinen. An­sonsten geriert sich diese Ausgabe „spielerfreundlich“, auf praktische Wendestellen in den Sätzen wurde indes verzichtet.
Volker Ellenberger