Bret, Julien (*1974)

San Camillo pour grand-orgue

Verlag/Label: Chant du monde, OR4894
erschienen in: organ 2015/01 , Seite 59
Julien Brets Sonate parisienne für vier Hände schafft in drei Sätzen auf humorvolle Art eine Atmosphäre, die in ihrer musikalischen Sprache an die fünfziger und sechziger Jahre erinnert. Mit etwas Fantasie glaubt man, durch die Viertel, Passagen und Avenuen, über Plätze und vorbei an Baudenkmälern zu flanieren und dem pulsierenden Leben dieser Stadt, in der sich Alltag und Mythos zu einem lebendigen Ganzen zusammenfügen, zusehen zu können. Dabei ist das charmante und effektvolle Werk nicht allzu schwer zu spielen und beispielsweise als hei­terer Abschluss eines Konzerts für zwei Spieler oder bei sonstiger entsprechender Gelegenheit bestens geeignet.
Ebenfalls von Julien Bret stammt San Camillo, eine Art Programmmusik durch das Leben des heiligen Kamillus von Lellis. Der Sohn eines kaiserlichen Offiziers war unter anderem als Soldat in venezianischen und spanischen Diensten tätig und in diverse Kriegshandlungen verwickelt. Außerdem war er der Spielsucht verfallen. Wegen einer Verletzung musste er aus dem Kriegsdienst ausscheiden und wurde der Legende nach bei der Arbeit am Bau eines Klosters bekehrt. Danach war er vor allem in der Krankenpflege tätig und gründete einen eigenen Orden, der entscheidenden Einfluss auf die Verbesserung der Krankenpflege in Italien hatte.
Julien Bret stellt ans Ende der Lebensstationen des Heiligen originellerweise noch einen himmlischen Ausblick in Form einer Art beschwingten Walzers, quasi als eine Art Reigen der Seligen, inspiriert von einem Gemäldeausschnitt aus Das Jüngste Gericht von Fra Angelico, und schlägt so den Bogen zurück zum Anfang zum Choralzitat von Pietro Rizzoli. Das Werk intendiert wohl keinen wirklichen Tiefgang, weiß jedoch auf originelle Weise zu unterhalten. Ein einigermaßen geschickter Improvisator wird Ähn­liches sicher spontan auch zuwege bringen. Wer in diesem Sujet allerdings noch nicht so erfahren ist, findet hier entsprechende Anregungen, es mit vergleichbaren Inhalten vielleicht selbst einmal zu versuchen.
 
Christian von Blohn