Salve Regina – Klangbilder marianischer Choräle

Werke von Hansjörg Fink, Elmar Lehnen, Henk Meutgeert, Petr Eben, Robbert Scherpenisse und Jacques Charpentier

Verlag/Label: Lahn Verlag, Kevelaer (2010)
erschienen in: organ 2011/01 , Seite 58

Bewertung: 4 Pfeifen

Die große Orgel der Marienbasilika Kevelaer am Niederrhein dürfte vielen Orgelfreunden nicht zuletzt durch diverse Improvisations-CDs ihres „Titulaire“ Wolfgang Seifen vertraut sein. Umso reizvoller ist es, dieses imposante Instrument einmal als „Begleiterin“ zu erleben, so geschehen und zu hören auf der Einspielung Salve Regina mit Hansjörg Fink (Posaune) und Elmar Lehnen (Orgel).
Als Ausgangspunkt dienen dem
Interpreten-Duo sechs marianische Choräle der römischen Liturgie, die sie in eigenen Stücken auf vielfältige Art und Weise ausleuchten, wobei determinierte Komponenten sich mit improvisatorischen Elementen fließend abwechseln. Dazu erklingen zwei eigens für das Duo komponierte Werke der Holländer Henk Meutgeert und Robbert Scherpenisse. Die Niederlande gelten bekanntermaßen als Hochburg bedeutender Blasmusik­tradition, auch auf dem Gebiet der symphonischen Blasmusik.
Hansjörg Fink hat u. a. eine klassische Posaunistenausbildung absolviert, seine Leidenschaft gehört aber unüberhörbar dem Jazz. Finks Tongebung ist sehr differenziert mit wundervollen Piano-Passagen und, wenn nötig, einem ebenso strahlenden Forte. Elmar Lehnen, seit 2000 Basilika-Organist, kann seine improvisatorische Provenienz kaum verleugnen, findet aber sein eigenes Idiom und erweist sich als hervorragender Begleiter, der der Versuchung widersteht, seinen Partner mit dem gewaltigen Instrument (146 Register!) zu dominieren. Stattdessen lotet er das schier unerschöpfliche klangliche Schattierungspotenzial der Seifert-Orgel facettenreich und effektvoll aus.
Es tut der Dramaturgie des Programms gut, dass mit Musik von Petr Eben und Jacques Charpentier neben die eigenen Werke eine noch etwas andere „Couleur“ und herbere klangliche Ästhetik hinzutritt. Das populärste Eben-Stück für Blechblasinstrument und Orgel sind wohl die Fenster nach Marc Chagall; aber auch die beiden ebenfalls hier vorgestellten Zwei Anrufungen … können sich hören lassen. Während Eben hierzulande im kirchenmu­sikalischen Repertoire eine feste Grö­ße darstellt, gilt Gleiches (leider!) nicht für Jacques Charpentier (*1933). Der Messiaen-Schüler hat sich intensiv mit der Musik Indiens beschäftigt und offenbart in seinen Werken zugleich eine intime Kenntnis des Gregorianischen Chorals. Sein ursprünglich für Orgel solo geschriebenes Werk L’ange à la trompette für Posaune und Orgel zu bearbeiten, erweist sich als originelle Idee, wobei dem Blasinstrument geschickt Pedal- und Linke-Hand-Passagen zugeteilt werden, wichtige Melodiefolgen – oft colla parte – sowie virtuose, dialogisch alternierende Sechzehntel-Verläufe.
Insgesamt eine lohnende, überaus atmosphärische Aufnahme zweier vorzüglich aufeinander abgestimmter Musiker; und eine seriöse Alternative zur überstrapazierten Standardkombination Orgel/Trompete.

Christian von Blohn