Bach, Carl Philipp Emanuel

Sämtliche Orgelwerke, Band 2

Kleinere Werke, hg. von Jochen Reutter, Anmerkungen zur Interpretation von Gerhard Weinberger

Verlag/Label: Wiener Urtext Edition, UT 50149
erschienen in: organ 2012/04 , Seite 59

Der gerade erschienene zweite Band der Gesamtausgabe der Orgelwerke des berühmtesten der „Bach-Söhne“ – Johann Sebastian Bachs drittgeborener Sohn Carl Philipp Emanuel (1714-88) – wurde von Jochen Reutter nach den Quellen herausgegeben und von Gerhard Weinberger mit Hinweisen zur Interpretation (in deutsch, englisch und französisch) versehen. Carl Philipp Emanuel Bach hat selbst nie ein Organistenamt inne gehabt. Auch von daher ist sein der Orgel gewidmetes Œuvre von vergleichsweise geringem Umfang, obwohl es alle wesentlichen Gattungen damaliger Orgelliteratur bedient. Im ersten Band werden die auch heute noch bekannten Sechs Orgelsonaten publiziert, während der zweite Band kleinere und verstreute Werke beinhaltet.
Das Preludio D-Dur von 1756 fällt ebenfalls in die Entstehungszeit der Orgelsonaten. Das interessante Stück ist unter Umständen von dem „großen“ Präludium in D-Dur (BWV 532) des Vaters inspiriert und bildet – trotz der deutlich hörbaren Hinwendung zum galanten Stil – gleichwohl eine ganz andere Deutung der Bezüge zum möglichen Vorbild. Einer Grave-Introduktion, für die ein sehr instruktiver Auszierungsvorschlag von Gerhard Weinberger vorangestellt wurde, folgen alternierend zweistimmige Alla breve-Abschnitte, in denen sich immer wieder Anklänge und Parallelen zu BWV 532 finden lassen.
„Rückwärtsgewandt“ präsentieren sich im Kontrast dazu die sechs folgenden Fugen (d – F – g – A – Es; zum Teil in verschiedenen Fassungen), die in steigender Stimmenanzahl pädagogisch-systematisch angeordnet sind. Die Autorschaft des Trios in d-Moll wurde verschiedentlich angezweifelt, ist es doch ein galanter anmutendes Beispiel, angeregt durch die Triosonatensätze des Vaters. Als äußerst reizvoll wäre das Choralvorspiel Ich ruf’ zu Dir, Herr Jesu Christ hervorzuheben, auch bekannt unter BWV Anh. II 73, das dem gleichnamigen Werk aus Johann Sebastian Bachs Orgelbüchlein motivische Vorspiele zu den einzelnen Choralzeilen hinzufügt. Es folgt eine ebenfalls ungesicherte Choralbearbeitung Aus der Tiefen rufe ich, überliefert auch als BWV Anh. 745 und 30 Galanteriestücke für Spieluhren und Drehorgeln. Sie sind eine ideale Ergänzung zum gängigen Repertoire der klassischen Wiener Flötenuhrstücke von Haydn oder Mozart.
Gerhard Weinbergers pädagogisch fundierte Hinweise zur Interpretation beziehen sich quellenkundig abgesichert auf Artikulation, Tempo, Agogik, Ornamentik und klangliche Darstellung. Dispositionen zeitgenössischer Orgeln aus dem Umkreis Carl Philipp Emanuel Bachs sowie präzise textkritische Anmerkungen runden diese empfehlenswerte Ausgabe ab.

Stefan Kagl