Schneider, Enjott

Sacred Music Series Vol. 1-4

Verlag/Label: Ambiente ACD 3004 / 3007 / 3008 / 3009
erschienen in: organ 2010/02 , Seite 57

Vol. 1: Orgelsinfonie Nr. 3 „Totentanz“, Werke für Chor, Orgel u. a. Bernhard Buttmann, Orgel; Neuer Kammerchor der Hochschule Regensburg; Stefan Baier, Orgel; Kunibert Schäfer
Vol. 2: „In principio erat verbum“ – Die Singphoniker / „Hiob“. Orgelkonzert Nr. 2 – Johannes Skudlik, Orgel; Bochumer Symphoniker / „Crucifixus“ – Raschèr Saxophone Quartet; Harald Feller, Orgel
Vol. 3: Orgelsinfonie Nr. 1 „Pater Noster“ – Orgelsinfonie Nr. 5 „Angelus“. Franz Hauk an der Klais-Orgel im Münster zu Ingolstadt
Vol. 4: Orgelsinfonie Nr. 6 „Te Deum“. Jürgen Geiger an der Bruckner-Orgel der Stiftsbasilika St. Florian (Österreich)

 

Bewertung: 3 Pfeifen

Das Genre bringt es mit sich, dass ein Komponist mit erfolgreichen Filmmusiken zuweilen bekannter wird als mit seinen übrigen Werken. Dem 1950 geborenen, heute an der Münchner Musikhochschule Musiktheorie und kirchenmusikalische Komposition lehrenden Enjott Schneider ist mit dem Soundtrack zu Schlafes Bruder auch organistisch ein Wurf gelungen. Musiken zu den Filmen Herbstmilch, Stalingrad und Stauffenberg folgten. Dass nun in einer vierteiligen Edition das Sakral­musikschaffen von Enjott Schneider, das als seine eigentliche Domäne betrachtet werden kann, in exzellenten Aufnahmen zugänglich gemacht wird, ist ein Verdienst des engagierten Labels Ambiente.
Die verwendeten Aufnahmen stammen aus heterogenen Quellen. Die Aufnahme der 6. Orgelsinfonie Te Deum (Vol. 4) etwa fand mit dem ebenso talentierten wie hochvirtuosen Mün­chener Nachwuchsorganis­ten Jürgen Geiger – zugleich Widmungsträger des Stücks – in der Stiftsbasilika St. Florian an der „Bruckner-Orgel“ statt. Die 3. Orgelsinfonie Totentanz (Vol. 1) spielte der Widmungsträger Bernhard Buttmann kurz nach der Uraufführung in der St. Sebald-Kirche Nürnberg. Schneiders Musik ist keineswegs frei von Programmatik, versteht sich aber auch als Fortsetzung einer langen Tradition der Orgelsinfonie-Gattung vor allem mit Blick auf die französischen Komponis­ten (was sich freilich weniger in der Auswahl der hier auf CD versammelten Orgeln widerspiegelt). Eine weitere Interpretations­ebene er­öffnet sich beim Totentanz mit den Satzbezeichnungen, die Schneider eins zu eins von Gustav Mahlers 5. Sinfonie entlehnte. Buttmann gestaltet den dritten Satz „Scherzo Macabre“ mit der prägnanten „Dies irae“-Sequenz nicht aggressiv, sondern immer wieder zögernd und in sich gebrochen.
In den hoch reizvollen und auch von Laienensembles problemlos zu gestaltenden zwölf Zeitstudien nach Grabinschriften für Chor, Orgel, Schlagwerk und Tonzuspielung Es ist später, als du denkst (Vol. 1) bedient sich Schneider einer tickenden Uhr, tropfenden Wassers und später sphärischer Klangschichtungen in der Orgel und dem transparent eingesetzten Instrumentalensemble. Wie sehr dieser Komponist darum bemüht ist, eine Brücke zwischen der historischen Überlieferung und der Gegen­wart zu schlagen, beweist sein pseudotonaler A cappella-Satz Komm, Heiliger Geist nach dem gregorianischen „Veni creator spiritus“, den der Neue Kammerchor der Musikhochschule Regensburg unter der Leitung von Kunibert Schäfer hinreißend interpretiert (Vol. 1).
Schneider selbst leitet die „Singphoniker“ und das Schlagzeugensemble Stefan Blum bei seiner Motette In principio erat verbum (Vol. 2), in der sich der zeitgenössische Komponist zu­nächst in einem Gewand pseudohistorischer Anleihen der Notre-Dame-Schule verhüllt und dann mittels eines heftigen Bewegungsschubs, Xylofonsoli und sonorer Streichergestik outet. Dabei geht der Chor allmählich in Sprechgesang über.
Im Audimax der Ruhruniversität Bochum entstand die Aufnahme des 2. Orgelkonzerts Hiob mit den Bochumer Symphonikern und Johannes Skudlik an der Klais-Orgel (Vol. 2). Auch hier wird deutlich, dass Schneider kaum frei ist von sentimentalischer, fast schon pathetischer Gestik, doch wendet er sie überaus konsequent und gezielt an. Ein Glücksmoment interpretatorischer Qualität ist darüber hinaus das Crucifixus mit dem Raschèr Saxophone Quartet und Harald Feller an der Orgel (Vol. 2).

Helmut Peters