Liszt, Franz

Richard Wagner: Pilgerchor für Orgel

bearbeitet von Franz Liszt, hg. von Jürgen Geiger

Verlag/Label: Schott Music, ED 21321
erschienen in: organ 2012/04 , Seite 59

Franz Liszt (1811-86) trug als Kapellmeister des Hoftheaters in Weimar und vor allem auch durch seine Klaviertranskriptionen entscheidend zum Durchbruch der Opern von Richard Wagner (1813-83) bei. Leider hat Wagner keine Orgelsolowerke komponiert und sich zudem kaum über die Orgel und ihre musikalischen Möglichkeiten geäußert, setzte die Orgel jedoch in einigen Szenen seiner Opern ein, wie zur Begleitung des Gemeindechorals in Die Meistersinger von Nürnberg.
Dagegen hat Liszt bereits in seiner Weimarer Zeit (1848-61) mit orchestralen und pianistischen Elementen einen eigenen, ganz neuartigen Orgelstil kreiert. Von Alexander Wilhelm Gottschalg (1827-1908), mit dem Franz Liszt die „Orgel-Conferenzen“ in Weimar ini­tiierte, kam die Anregung, den „Pilgerchor“ aus Wagners Oper Tannhäuser für Orgel zu transkribieren. Damit begründete Liszt die bis heute fortdauernde breite Tra­dition von Orgelbearbeitungen aus dem Opernschaffen Wagners.
Liszt nutzte hier sehr geschickt das choralartige Thema, die feierlich-sakrale Atmosphäre und das weihevoll schreitende Tempo für ein orgel-mäßiges und dabei überaus expressiv-kantables Stück, das sich vom piano dolce des Beginns schnell bis zum vollen Werk steigert. In der hier veröffentlichten zweiten Version von 1862 ist nach der originalgetreuen Bearbeitung ein in verklärter Stimmung mündender Schluss von Liszt hinzukomponiert, der perdendosi bis unter das Pianissimo zurückfällt.
Bemerkenswert ist die orchestral empfundene polyphone Artikula­tion („Der Gesang gehalten, die Begleitung aber etwas kurz“), die zu Beginn das schöne Choralthema wirkungsvoll hervorhebt. Im weiteren Verlauf findet sich eine ziemlich schwer spielbare Passage für die rechte Hand: Sechzehntel-Triolen, jeweils von einer Sechzehntel-Pause unterbrochen, über dem Choralthema in der linken Hand. Hier zeigt sich, dass diese kurze Orgelbearbeitung von Franz Liszt in ihrer majestätischen Schlichtheit doch unbedingt auch eine gute Spieltechnik erfordert.
Nicht für jede(n) InterpretIn notwendig und sinnvoll mögen die als unverbindliche Vorschläge gedachten Registrierhinweise des He­­raus­gebers sein. Letztlich befreien sie doch niemanden von der Mühe, am jeweiligen Instrument eine dieser Bearbeitung folgende, möglicherweise auch der Originalvorlage nachempfundene bzw. der eigenen Vorstellungskraft entsprechende Dynamik und Färbung zu finden.

Torsten Laux