Werke von J. S. Bach, Dietrich Buxtehude, Anton Heiller, Olivier Messiaen, Eric Nathan und Wang Lu

Resonance & Resilience: Dresden

Mark Steinbach an der Gottfried Silbermann-Orgel (1755) der Hofkirche Dresden

Verlag/Label: Raven OAR-18
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/03 , Seite 60

Bewertung: 5 von 5 Pfeifen

Der amerikanische Organist Mark Steinbach hat in letzter Zeit eine Reihe von Einspielungen vorgelegt, die aufhorchen lassen, u. a. eine Aufnahme von Olivier Messiaens La Nativité an der Cavaillé-Coll-Orgel von St. François de Sales in Lyon. Diese Aufnahme ist nicht nur die erste dieses Werks an einem unveränderten Instrument des genialen französischen Orgelbauers im Surround-Format, sie ist auch musikalisch exzellent.
Das schraubt die Erwartungen an die vorliegende CD dementsprechend hoch, die – das sei gleich vorweggenommen – hier nicht enttäuscht werden. Resonance & Resilience präsentiert barocke und moderne Musik an der Silbermann-Orgel der Dresdner Hofkirche. Das geht in diesem Fall, weil das Instrument gleichstufig gestimmt ist und Steinbach etwaige Einschränkungen wie den zeittypischen Manual- und Pedalumfang gekonnt zu umschiffen weiß. Die klangliche Qualität dieses Instruments steht ja außer Frage und kommt barocker wie moderner Musik zugute: Bach ebenso wie Heiller, Messiaen und zwei amerikanischen Komponisten, die Steinbach hier eingespielt hat.
Dass Heiller (Variationen über „Nun komm der Heiden Heiland“) mit seinem neobarocken Zuschnitt hier funktioniert, überrascht noch am wenigsten, aber auch Messiaen (Le Banquet céleste) klingt aufgrund der herausragenden Klangsubstanz im besten Wortsinn himmlisch. Die Stücke von Eric Nathan (Immeasurable) und Wang Lu (Missing Absence) nutzen die Qualitäten der Orgel bei all ihrer Unterschiedlichkeit gekonnt aus. Inspiriert vom terro­ris­tischen Anschlag auf das Pariser Lokal Bataclan im November 2015, sind beide Werke ansprechende Beispiele für moderne und fassliche Orgelmusik, die konzise komponiert ist und von Steinbach kongenial gespielt wird. Nathans Stück steigert sich von einem fast unhörbaren Beginn mit komplexen Rhythmen und scharfen Kontrasten zu einem fulminanten Höhepunkt, Lu arbeitet mit sich überlagernden Klangflächen, die sich zu aparten Harmonien verdichten. Das mag an dem historischen Instrument durchaus mit viel Aufwand verbunden gewesen sein; musikalisch profitieren die Werke von der Silbermannschen Klangsubstanz und Steinbachs ausgefuchster Klangregie.
Diese kommt auch Johann Se­bas­tian Bachs Werken zugute: Die g-Moll-Fantasie (BWV 542) klingt ausgesprochen dramatisch, die dazugehörige Fuge schnurrt herrlich, wobei Steinbach das Pedal zwar sehr prägnant, aber doch nicht zu penetrant registriert. Den Cantus firmus verschiedener Choralvorspiele gestaltet Steinbach ausgesprochen schön, das Pièce d’orgue klingt hier erfrischend konventionell: einmal nicht à la française aufgemacht, sondern mit einem eher stillen, wiede­rum sachte gleitenden Schlussteil.
Alles in allem spielt Steinbach nicht nur tadellos; er schafft es auch, an einem historischen Instrument auf überzeugende Weise einen großen stilistischen Bogen zu schlagen, zumal insbesondere die Stücke von Wang Lu und Eric Nathan wirklich spannend klingen.

Guido Krawinkel