Reger & Rheinberger

Verlag/Label: Querstand VKJK 1302 (2013)
erschienen in: organ 2013/04 , Seite 59

4 von 5 Pfeifen

Die Münchener Jesuitenkirche St. Michael ist ein wahrhaft geschichts­trächtiger Ort: Der 1597 eingeweihte größte Renaissancebau nördlich der Alpen wurde im Zuge der Gegenreformation von Herzog Wilhelm V. für den Jesuitenorden errichtet und fungierte seit 1773 als Hofkirche. Entsprechend repräsentativ ist bis zum heutigen Tage
die Kirchenmusik an St. Michael aufgestellt. Seit den verheerenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg besitzt St. Michael nun schon die dritte Nachkriegs-Orgel (Rieger, 2011) nach den Instrumenten von 1966 (Schuster) und 1982/83 (Sandtner).
Der Neubau – eigentlich ein umfassender Umbau –, basierend auf einem Großteil des qualitätvollen Sandtner’schen Pfeifenmaterials, war im Vorfeld – über die Münchner Orgelszene hinaus – nicht gänzlich unumstritten. Weitgehendes Unverständnis über einen neuerlichen (kostspieligen) Orgelbau nach noch nicht einmal dreißig Jahren überwog in der Diskussion. Umso be­glü­­ckender erweist sich nun die neue Orgel als ein Universalinstrument im positivsten Sinne, wozu nicht nur die behutsame Umdisponierung (u. a. mit einem neuen deutsch-romantischen Schwellwerk), sondern auch eine besonders lebendige, hohe Verschmelzung der Einzelstimmen begünstigende Intonation entscheidend beiträgt.
Michaels-Organist Peter Kofler porträtiert nun in seiner zweiten Einspielung (die erste CD – ebenfalls bei Querstand erschienen – widmete sich noch einem recht heterogenen Repertoire mit Werken von Bruhns bis Dupré) zwei überragende Komponistenpersönlichkeiten, die entscheidenden Einfluss auf Münchens Kulturleben hatten und mehr (Rheinberger) oder weniger (Reger) auch mit St. Michael in Verbindung zu bringen sind. Joseph Gabriel Rheinberger, hochgeschätzter Organist an St. Michael, ließ 1896 sogar eine neue Maerz-Orgel nach seinen Plänen und mit dem Geld seiner verstorbenen Gattin er­richten, sein reiches Orgel-Œuvre (mit zwanzig Orgelsonaten) gehört bis heute zum Kernbestand des romantischen Repertoires. Max Reger ließ sich 1901 vorübergehend in München nieder; auch sein gewaltiges Schaffen ist von einem reichen Orgelmusikanteil durchzogen.
Kofler stellt den selten gespielten Zyklus der Neun Stücke für die Orgel op. 129 von Reger zwei Sonaten Rheinbergers gegenüber (Nr. 7 op. 127, Nr. 8 op. 132) und ermöglicht so einen höchst instruktiven Vergleich der beider Zeitgenossen, die sich in ihren Werken sowohl der Kunst der Miniatur als auch der barocken Formästhetik annehmen. Durch die geschickte Gruppierung des Reger-Zyklus’ um die Rheinberger-Sonaten gelingt es dank Koflers sorgfältigem und zugleich immer musikantisch-inspiriertem Spiel dem Hörer unaufgeregt die Charaktere beider Komponisten zu vermitteln, so dass am Ende Bewunderung für eine großartige musikgeschichtliche Epoche vorherrscht. Die wundervollen romantischen Einzelstimmen der Orgel (Flöten, Streicher!) wie auch die mächtigen, stilsicher ausregistrierten Plena entfalten sich hierbei dank einer sehr natürlich wirkenden Aufnahmetechnik ganz grandios.

Christian Brembeck