„Qui pulchrè hanc calluit artem“ – der die Kunst vortrefflich versteht

Klangportrait der zwei erhaltenen Orgelinstrumente von Johann Christophorus Pfleger (1602–1674) aus Radolfzell. Zeno Bianchini, Orgel und Regal

Verlag/Label: Bezug: www.kath-stockach.de oder www.musikinstrumentensammlung.ch
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/03 , Seite 62

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

In der Tat dokumentiert diese Einspielung zwei hochwertige Zeugnisse der Orgelbaukunst in Süddeutschland am Ende des Dreißigjährigen Krieges. In der Loreto-Ka­pelle Stockach am Bodensee ist eine kleine Orgel mit fünf Regis­tern des in seiner Zeit produktiven und sehr geschätzten Johann Chris­to­phorus Pfleger (1602–74) erhalten, restauriert 2011 durch Orgelbau Klais. Aus dem Cistercienserinnen-Klos­ter Frauenthal im Kanton Zug stammt ein von Pfleger 1644 sig­niertes Regal, das Bernhard Edskes 1975 restaurierte und das heute in der Musikinstrumentensammlung Willisau steht.
Zeno Bianchini, Organist der Loreto-Kapelle, wechselt für seine Vorstellung geschickt zwischen beiden Instrumenten. Dabei erklingt das Regal mit geöffnetem sowie halb und ganz geschlossenem Deckel, was nicht nur dynamische Unterschiede, sondern auch Nuancen im Obertonspektrum bewirkt. Bianchini wählte einschlägiges Repertoire aus Italien sowie Süd- und Norddeutschland; verblüffend ist dabei, welche stilistischen Verwandtschaften sich zwischen diesen Traditionen zeigen.
Den sehr fachkundigen Texten im sorgsam gestalteten Booklet zufolge wählte der Interpret für die Orgelaufnahmen die Windversorgung mit Gebläse und neu errichtetem Balg. Die Enge in den Kanzellen führt dabei gelegentlich zu leichten Verstimmungen. Alternativ kann man die historischen Keilbälge per Hand bedienen, was aber Windschwankungen zur Folge hätte. Diese wiederum hätten Bianchinis vitales, nie hektisches Spiel, deutlich stärker beeinträchtigt. Gerade durch die Darbietung im Wechsel kommen beide Instrumente vorzüglich zur Geltung, ohne dass die Folge der vielen kürzeren Stücke ermüdet. Zu danken ist dies unter anderem der souveränen Regis­trier­kunst des Musikers, die etwa die schöne und erstaunlich voluminöse 4’-Flet mehrfach zu Wort kommen lässt: oktaviert im durezze-Abschnitt von Girolamo Frescobaldis Toccata prima (mit Copl 8’) oder in Normallage in der Canzona VI des Johan Kaspar von Kerll.
Geschaffen wurde hier mehr als eine umfassende Dokumentation in Ton, Text und Bild. Die ansprechen­de Edition vermittelt ein schlüssiges Gesamterlebnis, das wegen der an unterschiedlichen Orten befindlichen Instrumente live unrealisierbar ist.

Markus Zimmermann