Franz Xaver Murschhauser

Prototypon longo-breve organicum

Silva Manfrè an der Freundt / Richter-Orgel der ehemaligen Stiftskirche Baumgartenberg (Österreich)

Verlag/Label: Brilliant Classics 96707 (2023)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2023/03 , Seite 62

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Ein Streit hatte zur Folge, dass Franz Xaver Anton Murschhauser (1663–1738) nicht mehr den Titel „Kurfürstlicher Hofkapellmeister“ führen durfte. So beschloss der selbstbewusste Komponist, Chor­regent der Münchner Frauenkirche und Musikverlagsbesitzer, sein nächstes Tasten-Opus ohne dieses wirkungsvolle Prädikat nur unter dem Monogramm „F.A.M.“ zu publizieren. Er ließ den überschaubaren Augsburger Druckmarkt seines Op. 1 (1696) hinter sich und baute mit dem Prototypon longo-breve organicum in der Kultur- und Handelsmetropole Nürnberg eine musikalische Präsenz auf.
Mit dem zweiteiligen Prototypon (1703/1707) stellte Murschhauser Musterbeispiele für Präludien und Fugen vor. Intonatio, Toccata, Praeambulum und Finale ähneln sich. Fuga und Canzon sind kurze Fugen; viele dieser knappen imitatorischen Sätze mit reizvollen Themen sind noch der Versettenkunst verpflichtet. Einige Toccaten (1706) wirken mit ihren Figurationen und ausgeschriebenen Verzierungen etwas atemlos. Bemerkenswert sind vier Toccaten, die mit „arpeggiata“ bezeichnet sind, vielleicht ein Bestreben des Komponisten, Arpeggien als personalstilistisches Mittel in der Orgelmusik zu etablieren.
Neben Silva Manfrès überzeugender Interpretation der 46 abwechslungsreichen, teilweise sehr kurzen Sätze (Gesamtspielzeit 81’05), die zum einen dem teilweise hohen virtuosen Anspruch der Toccaten, zum anderen der polyphonen Klarheit der Fugen gerecht wird, vermag besonders das Instrument aus Oberösterreich das Gemüt zu ergötzen. Auf der Rückseite der Orgel in der ehemaligen Stiftskirche Maria Himmelfahrt steht geschrieben:

„Bernard Abbt schafft mich
Hannß Freindt macht mich
Martin Schubertt fasst mich
Werth Freundt schlägt mich
Guett Musteus ziehrt mich
Deren Menge besetzt mich
Mit allen vergleich ich mich
Frombs gemüth anhört mich“,

womit wohl Abt, Orgelbauer, Maler, Organist, Verzierungen, Qualität der Orgel und Zuhörer gemeint sind. 1662 vom Passauer Orgelbauer Johann Georg Freundt zunächst als Lettner-Orgel gebaut, wurde das Instrument 1780 von Lorenz Franz Richter aus Freistadt durch ein Brüs­tungspositiv erweitert. Nach Richters Plänen wurde die Orgel in Baumgartenberg 1999 restauriert. Mit ihren zwei Manualen und 17 Registern entspricht sie weitgehend Murschhausers Münchner Dienstorgel.
So kommen F. X. A. Murschhausers beachtenswerte Paradestücke nach zwanzig Jahren (Aeolus, Léon Berben) durch Silva Manfrè und Brilliant Classics zu einer geglückten Neuauflage.

Johannes B. Ring