Eugène Reuchsel

Promenades en Provence

Tobias Horn an der John-Abbey-Orgel (1848/98) der Kathedrale von Châlons-en-Champagne, Frankreich

Verlag/Label: Ambiente ACD-2052 (2025)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 50

Bewertung: 5 von 5 Orgelpfeifen

Von allen Vertretern der „Reuchsel-Dynastie“ – Léon (1840–1915), Amédée (1875–1931), Maurice (1880–1968) und Eugène Reuchsel (1900–1988) – ist der zuletzt Genannte sicherlich der be­kannteste der vier. Wirklich berühmt ist er deshalb nicht, weder in seiner Heimat Frankreich noch hierzulande, und dies ist angesichts seines grandiosen Orgel-Œuvres schlicht unverständlich. Abgesehen von Manfred Meier-Appels verdienstvoller Gesamteinspielung aller Orgelwerke der Reuchsels ist die Liste mit erhältlichen CDs von Eugène Reuchsel überschaubar.
Die CD von Tobias Horn, seit 2018 Kirchenmusikdirektor in der Evangelischen Landeskirche Württemberg, ist nichts weniger als eine diskografische Großtat. Denn Horn präsentiert uns Eugène Reuchsels Promenades en Provence nicht nur vollständig – „die ersten beiden Bände […] wurden 1938 veröffentlicht und 1973 um einen dritten Band […] ergänzt“ (Booklet) –, sondern auch in der chronologischen Reihenfolge ihrer Entstehung. Obwohl der Zyklus in einem Zeitraum von 35 Jahren komponiert wurde, ist er für Horn keine lose Folge von Einzelsätzen, wie er im sehr lesenswerten Booklet argumentiert. Die Abfolge der insgesamt 13 Stücke „mit ihrem weniger abbildenden als vielmehr evozierend-atmo­sphärischen Bezug zur Landschaft“ folgt laut Horn „einem genauen Plan“. Und er fügt hinzu: „Nicht zuletzt an der Tonartenfolge der Sätze lässt sich eine genau konzipierte Gesamtdisposition und Dramaturgie festmachen.“
Das klangliche Resultat überzeugt auf ganzer Linie. Neben der schlüssigen Dramaturgie machen vor allem drei Aspekte dieses Album „referenzverdächtig“: Zunächst ist es Horns (mehr als) tadelloses und sehr ausdrucksstarkes Spiel, das Reuchsels provenzalischen „Bilderreigen“ optimal in Szene setzt; zweitens die Wahl der Registrierungen, die laut Horn alle Angaben des Komponisten realisiert. Der dritte Punkt betrifft die Orgel. Tobias Horn hatte bei der Wahl der Instrumente schon immer ein „Händchen“ bewiesen. So war er vor rund zwanzig Jahren der Erste, der die klangschöne Walcker-Orgel (1904) von St. Georg in Ulm mit Reminiszenzen (Ambiente ACD-2014) aus dem diskografischen Dornröschenschlaf „erweckt“ hatte.
Mit der 1847 von dem Briten John Abbey erbauten, 1895 bis 1898 durch seine Söhne umgebauten und technisch erweiterten Orgel der Kathedrale in Châlons-en-Champagne, die Anfang der 2000er Jahre wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde, ist Horn jetzt erneut ein echter Coup gelungen. Meines Wissens ist dies die erste CD, die auf dieser Abbey-Orgel eingespielt wurde, und ich kann mich Horns Einschätzung nur anschließen: „Die Orgel […] kann als eines der bedeutendsten der großen romantisch-symphonischen Instrumente in Frankreich bezeichnet werden und steht ebenbürtig und mit durchaus singulären klanglichen Charakteristika neben den großartigen erhaltenen Instrumenten eines Aristide Cavaillé-Coll.“

Burkhard Schäfer

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