Schmidt, Franz

Präludium und Fuge A-Dur für Orgel (1934) / Choralvorspiel “Der Heiland ist erstanden” für Orgel (1934)

hg. von Rudolf Scholz

Verlag/Label: Doblinger 02473, 02474
erschienen in: organ 2011/02 , Seite 59

Franz Schmidt (1874-1939), Schüler Anton Bruckners, gehört als Nach-Romantiker zu den wohl wichtigs­ten Vorbereitern der Orgelbewegung in Österreich. Seine Orgelwerke konnten jedoch – mit Ausnahme des harmonisch „süffigen“ Halleluja-Präludiums – nie die Popularität der Orgelmusik von Max Reger oder Sigfrid Karg-Elert erlangen. Ein Grund hierfür mag darin liegen, dass Schmidt, so Alois Forer, „seinen Anlagen nach absoluter Musiker“ war, dessen musikalisches Streben ihn immer wieder „zur objektivs­ten, der Orgelkunst hingezogen“ habe. So ist Schmidt auf der Orgel in erster Linie ein „Neoklassiker“, die Orgel bei ihm ein durch und durch poly­phones Instrument. Sein musikalischer „Objektivismus“ ma­­nifestiert sich in seinen in strenger kontrapunktischer Durchdringung am klassischen Formenkanon orientierten Kompositionen.
Tonart und thematische Substanz verleihen Präludium und Fuge A-Dur (1934 uraufgeführt) zusammen mit dem wiegenden Rhyth­mus pas­toralen Charakter. Gleichwohl ist Schmidt weit davon entfernt, eine naiv-unbeschwerte Weihnachtsidylle zu servieren. Die kantilenenartig an­gelegte Oberstimme kommt mitunter in ihrer Intervallfolge kantig daher; die beiden Stimmen in der linken Hand hinterlassen zuweilen beim Hörer einen arg „ungelenken“ Eindruck – infolge eines zu sprunghafter Intervallik neigenden Satzbildes, das zur blo­ßen „Essenz“ ausgedünnt scheint. Die Fuge ist mit stringenter Konsequenz auf dynamische Steigerung aus, meidet am Ende jedoch überladenen Bombast. Spieltechnisch nicht allzu schwer, gilt es dennoch manche Klippen zu überwinden, bei denen OrganistInnen mit großer Spannweite der Hände eindeutig im Vorteil sind. So ist das Werk als Kontrapunkt zu weihnachtlicher Terzenseligkeit gewiss eine brauchbare Alternative; nicht unbedingt aber, um neue Hörer­klientel für die Orgel ad hoc zu begeistern.
Das Choralvorspiel „Der Heiland ist erstanden“ bietet weit mehr, als der Titel suggerieren mag. Es handelt sich hierbei um eine an barocke Vorbilder angelehnte regelrechte Choralfantasie mit fünf Variationen, denen eine Grave-Introduk­tion vo­rangestellt ist. Am Beginn Lautmalerisches à la Reger – düster vom Dunkel zum Licht sich emporschwingende Sechzehntel-Ketten zu majestätischen fff-Akkorden. Im weiteren Verlauf dominiert ein lineares Satzbild, das musikalisch allerdings einen recht spröden „Osterjubel“ vermittelt … – Wenn Schmidt in der Orgelkunst also die objek­tivste, weil „absolute [polyphone] Musik“ zu finden glaubte, dann allerdings um den Preis einer weitgehend entseelten, analytischen Klang­ästhetik, die den einseitigen Radikalismen der Orgelbewegung in Öster­reich sowohl substanziell als auch historisch vehement Vorschub leis­tete. Auch dieses Werk dürfte es folglich heutzutage nicht ganz einfach haben, ein grö­ßeres Orgelpub­likum für sich einzunehmen.
Wolfgang Valerius