Praeludia Pastoralis pro Organo
Böhmische Pastorellen des 18. Jahrhunderts für Orgel (Tasteninstrument), hg. von Roy Heyne
Die böhmische Orgelmusik der Barockzeit zeichnet sich, im Gegensatz zum üppigen Fundus an zeitgleicher Figuralmusik, was die Gattungen betrifft, durch eine weitgehende Bichromie von Praeludien und kunstfertigen Fugen aus. Umso dankbarer kann zumindest für die Weihnachtszeit auf den von Roy Heyne herausgegebenen Sammelband mit 17 Pastoralwerken aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – von Franz Xaver Brixi, Jiří Ignác Linek, Johann Hladky und Jakub Jan Ryba – zurückgegriffen werden. Der im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet tätige Organist und Cembalist Heyne hat in seiner Sammlung keine Vollständigkeit angestrebt und weihnachtliche Werke wie z. B. die Fuga-Pastorela von Karel Blažej Kopřiva, die Fuge in D de tempore Natalis von Josef Ferdinand Norbert Seger oder die Pastorella in D von Jan Křtitel Josef Kuchařz nicht aufgenommen.
Als Quellen konnte Heyne für seine in jeder Hinsicht vorbildliche Edition im Wesentlichen böhmische Manuskripte aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts heranziehen. Beim Editionsvergleich der Pastorella in C von František Xaver Brixi (u. a. mit Edition Peters Nr. 9928 b) fällt auf, dass Heynes Quelle von 1773 zwei Akkorde (Takt 7 und 67) nur zweistimmig notiert. Der kritische Bericht informiert über die selbst gesetzten Editionsrichtlinien und die vorgenommenen Korrekturen des in historisch-kritischer Weise überarbeiteten Notentextes. Leider sind die originalen tschechischen Titel nur hier und nicht im Notenteil aufgeführt.
Aufschlussreich ist zunächst die Einleitung, welche den Zusammenhang mit der von der Verwendung volkstümlicher Instrumente wie Hirtenhorn und Dudelsack geprägten böhmischen Pastoralmusik nachzeichnet: Diese Instrumente werden auch bei den Titeln der Tuba pastoralis (Praeludium pastoralis Nr. VI.) und in der „Hirtenweise oder Sackpfeife“ von Johann Hladky namentlich erwähnt. Als zeittypisches Referenzinstrument wird die zweimanualige Weltzel-Orgel der Prager Loretokirche mit kurzer Oktav und gemildert mitteltöniger Stimmung herangezogen. Bei den Aufführungshinweisen hätte man noch die Option echomäßiger Manualwechsel auch ohne notierte Dynamikangaben ergänzen können. Zu den Komponisten werden neben der Ausbildung und ihrem Wirkungskreis auch die vorhandenen Quellen kurz vorgestellt.
Die Edition lässt vom klaren Druckbild bis hin zur fast ohne Wendestellen angelegten Gesamtdisposition keine Wünsche offen. Die reizvoll naiven Sätze bewegen sich vordergründig auf leicht spielbarem Sonatinen-Niveau und können eine gute Empfehlung auf die oft gestellte Frage nach leichter und mit geringem Übeaufwand spielbarer Literatur sein. Insbesondere die kurzen Miniaturen von Hladky und Ryba wirken mit ihren Akkordbrechungen und Terzenketten sehr originell. Für den erfahrenen Spieler läge der besondere Reiz darin, dem Hörer den schlichten Notentext mit galanten Diminutionen, dudelsackartigen Effekten und klanglicher Raffinesse als weihnachtliches Festmahl zu servieren.
Josef Miltschitzky