Willscher, Andreas (*1955)

Portraits biblischer Frauen

Zehn Stücke für Orgel solo (= Orgelwerk, Band 6)

Verlag/Label: Dr. J. Butz Musikverlag, BU 2721
erschienen in: organ 2016/04 , Seite 63

Andreas Willscher, geboren 1955, studierte u. a. bei Ernst-Ulrich von Kameke (Orgel) und Günter Fried­richs (Komposition und Musiktheorie) an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Er ist besonders der französischen-romantischen Orgelmusiktradition zugetan, da sein Lehrer Friedrichs 1962/63 ein Jahr in der Analyseklasse von Olivier Messiaen am Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris studierte. Willschers kompositorisches Œuvre, das alle Sparten umfasst (darunter mehrere Opern und Oratorien sowie 16 Orgelsymphonien, sechs Orgelsonatinen, diverse Konzerte) ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Seit 2000 ist er Kirchenmusiker an der katholischen Kirchengemeinde St. Joseph in Hamburg-Wandsbek.
Willschers nun bei Butz veröffentlichtes Album Portraits biblischer Frauen besteht aus zehn einfacheren Meditationen, die in erster Linie für den gottesdienstlichen Gebrauch gedacht sind. Die direkte Verbindung mit den bezugnehmenden Bibelstellen bewirkt eine gegenseitige Vertiefung von Musik und Wort, da sich die unaufdringlichen und bewusst einfach gesetzten Stücke so unmittelbar erschließen.
Passend zur Atmosphäre der alt­testament­lichen Frauengestalten sind die ers­ten fünf Stücke in orientalischen Skalen gehalten. Einfachste fugato-ähnliche Abschnitte verraten bei „Ruth“ und „Sarah“ programmatisch das Thema Nachfolge, monodische Teile und eindringliche Akkord-Rückungen hingegen, auch mit ostinaten Rhythmen unterlegt, vermitteln porträthaft die Züge der Protagonistinnen, die im eher patriarchalisch geprägten Alten Testament als Retterinnen und Berufene eine besondere Rolle einnehmen.
Die fünf Frauenszenen, so möchte man es eher nennen, aus dem Neuen Testament sind zum Teil länger als die nur wenige Minuten dauernden vorausgegangenen Stücke. Sie sind entweder dur-moll-tonal gehalten, bringen gregorianische Zitate oder, in einfachster Weise, Messiaen’sche Modi und ausdrucksstarke Chromatik ins Spiel. Eine zweimanualige Orgel reicht aus, um diese – auch besonders den nebenamtlichen KollegInnen zu empfehlenden – Stücke darzustellen.

Stefan Kagl