Töpel, Michael

Portal für Orgel

Verlag/Label: Edition Merseburger 1859
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 62
Der ostentative Titel des Stücks bezieht sich auf die Bewunderung des 1958 in Bremen geborenen Komponisten (und Musikwissenschaftlers) für die gotischen Portale des Straßburger Münsters sowie die eindrucksvollen Orgeln in den berühmten Backsteinkirchen der alten Hansestadt Lübeck. Ähnlich wie in Messiaens Apparition de l’Eglise éter­nelle oder in Debussys La Cathédrale engloutie soll die „faszinierende Klangarchitektur [von Portal] den Kolossalbau der Kathedrale vor den Augen des Hörers entstehen“ lassen, heißt es in der Verlagsanmerkung. Töpel untermauert sein musikalisches Programm mit einem Bibelzitat: „Wie Ehrfurcht gebietend ist doch dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“ (Genesis 28,17).
Im „misterioso“ gleiten Pedal-Tupfer herab, die sich mit verschlungenen Figuren mischen. Das Echo- und Nachhallprinzip zeigt sich in vielen nachschlagenden Aktionen, die einen „inneren Raum“ generieren. Vorsichtig entwickelt sich die Musik. Sie leitet immer wieder musikalisches Material von ihrem außermusikalischen Programm ab. Töne türmen sich auf, schlagen nach oder bilden archaische Quintschichtungen. 
Entstanden ist das Werk im Brahms-Haus in Baden-Baden. Töpel hat mit der Basslinie B–A–H–S einen Anklang an den großen Meis­ter versteckt, ohne zugleich ein B–A–C–H-Zitat außen vor zu lassen. Für Experten sei angemerkt, dass die Musik für die Stellwagen-Orgel von St. Jakobi zu Lübeck komponiert wurde. Sie berücksichtigt also als eines der raren Werke Neuer Musik die kurze Oktave.
 
Dominik Susteck