Peter Kofler – Transkriptionen, Volume 3

Werke von Debussy (Kofler), Ravel (Briggs), Liszt (Rogg, Guillou), Fauré (Robilliard)

Verlag/Label: Querstand, DDD, VKJK 1402 (2016)
erschienen in: organ 2016/01 , Seite 59

5 von 5 Pfeifen

Es ist quasi Fluch und Segen der Orgel, dass sattsam bekannte Werke, auf verschiedenen Instrumenten gespielt, bisweilen jeweils in einem ganz anderen Licht erscheinen. Der Münchener Organist Peter Kofler hat sich dieses Überraschungsmoment, welches der Orgel per se als ein besonderer Zauber innewohnt, bei seiner jüngsten CD in doppelter Hinsicht zunutze gemacht, indem er ausschließlich Transkriptionen bekannter Orches­terwerke einspielte.
Kein Geringerer als César Franck, der musikalische Ahnvater der französischen Orgelsymphonik, war es, der die damals hochmoderne (sym­phonische) Orgel Aristide Cavaillé-Colls als ein eigenständiges Orches­ter sui generis rühmte. Das macht sie für orches­trale Transkriptionen nicht nur anfällig, sondern prädes­tiniert sie nachgerade dafür, komplexe orches­tersinfonische Partituren auf sie zu übertragen. Dass dies am Ende überzeugend gelingt, hängt vorab entscheidend von der Güte des Arrangements und somit vom kunstfertigen Geschick des Arrangeurs ab. Mit einer schlichten Übertragung des Klavierauszugs eins zu eins auf die Orgel ist es längst nicht getan. Es gilt einerseits die Spezi­fika (Besetzung, Instrumentierung, Satzeigenheiten) der Originalpartitur stets im Blick zu haben und zugleich das nötige Wissen um und die Sensibilität für die Eigenheiten des Orgelklangs mitzubringen.
Peter Kofler hat dem vorliegenden Volume 3 seiner Dokumenta­tion der großen Michaelsorgel den minimalistisch anmutenden Titel Transkriptionen gegeben und dem Programm eine eigene, sehr gelungene Orgelversion von Debussys ätherisch fein konturiertem Clair de lune beigesteuert. Die weiteren auf der Scheibe versammelten Namen illustrer Organistenkollegen stehen ausnahmslos für hochprofessionelle Transkriptionskunst auf der Orgel, wie sie der Engländer David Briggs (Ra­vel: Daphnis et Chloé) oder Lionel Rogg aus Genf (Liszt: Saint François) sowie der Pariser Altmeis­ter Jean Guillou (Liszt: Prometheus) und dessen Lyoner Kollege Louis Robilliard (Pelléas et Mélisande von Fauré) beherrschen.
Erbaut wurde die große Orgel der Münchner Michaelskirche, die auf dieser bemerkenswerten CD vorzüglich (er-)klingt, in den 1980er Jahren von der renommierten Orgelbauwerkstatt Hu­­bert Sandtner. Ihre noble und klanglich tragfähige Grundsubstanz wurde später von der österreichischen Werkstatt Rieger auf 75/IV/P erweitert. Ziel war die Wiederherstellung der 1896 nach der Disposition Rheinbergers erbauten symphonischen Orgel. Zu diesem Zweck wurde das Instrument mit einem neuen Schwellwerk nach deutsch-romantischer Ästhetik (IV. Man.) ausgestattet. Das französisch inspirierte Récit expressif bekam einen neuen Schwellkasten im Zentrum des Hauptgehäuses, wobei sich auch die Dachjalousien öffnen lassen. Die Werkaufteilung wurde neu konzipiert; ein gänzlich neues separates Orgelgehäuse im ersten linken Joch beherbergt nun einen großen Teil des IV. Manuals und des Pedals. Zusätzlich erhielt die Orgel ein Solowerk mit zwei Hochdruckzungen (Tuba mirabilis 8’, Tuba sonora 8’); die Pedaldiposition wurde um ein akustisches (10 2/3’) und ein reales 32’-Register erweitert.
Seit dem letzten großen Umbau setzt Peter Kofler, seit 2008 als Organist der Jesuitenkirche amtierend, mit diesem imposanten neo-symphonischen Instrument weit über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus nachhaltige Akzente in der süddeutschen Orgelszene. Mit dem von ihm initiierten und künstlerisch verantworteten Orgelfestival „Münchner Orgelherbst in St. Michael“ vermochte er das Instrument zum Fokus und zu einer ersten Adresse in Sachen künstlerisches Orgelspiel in München zu machen. Das eingespielte CD-Programm hat Kofler übrigens auch beim Abschlusskonzert des letztjährigen Orgelherbstes gespielt.
Die klangliche Expressivität des Instruments lotet der 36-Jährige hier voll aus. Die auf dem Album versammelten vier Komponisten des Fin und Avant Siècle – Liszt, Fauré, Debussy und Ravel – eint vorab die Affinität zur Polychromie des musikalischen Satzes. Diesen Hang zur klangschwelgerischen Tonmalerei arbeitet Kofler am Orgelspieltisch kongenial mit impressionistisch-sattem Pinselstrich und pointillistischer Detailverliebtheit in süffig-kathedraler Akus­tik he­raus. Zugleich versteht er es, nicht zuletzt dank der obertonreich-schmetternden Rohrwerke, aufpeitschende, ja bisweilen gleißende Klänge, wie in der Danse générale Ravels zu generieren. Dazu gesellen sich schemenhaft-irisierend Begleitfiguren in Faurés stimmungsreicher Fileuse oder ein grundtönig-sonores „Stapfen“ am Beginn der hochdramatischen Wellenwanderung des Heiligen Franziskus, das Kofler später mit mixturgekrönten virtuosen Diskantgirlanden kontras­tiert. Bravo!

Wolfram Adolph