Pastorale

Pastoralmusik für Orgel, Vol. 1: Italien, Schweiz, Frankreich, England

Verlag/Label: Carus 18.081
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 57
Der unter dem Titel Pastorale unter Federführung des Salzburger Kirchenmusikreferenten und Kapellmeisters der Stiftskirche St. Peter, Armin Kircher, veröffentlichte erste Band einer Anthologie weihnachtlicher „Hirtenmusik“ für die Orgel ist dem Genre der Pastoralmusik im 17. und 18. Jahrhundert zugedacht. Im Vorwort zu seiner Ausgabe legt Kircher dar, wie sich der Begriff der „Pastorale“ aus dem instrumentalen Musizieren von Hirten (der sogenannten „Pifferari“ oder auch „Zampognari“) zur Weihnachtszeit in den Städten Italiens herleitet. Aus den mutmaßlich vorwiegend folkloristisch-schlichten Darbietungen der Hirtenmusikanten entwickelte sich im Laufe der Zeit eine äußerst beliebte Kunstform, die – allermeist in wiegendem Siciliano-Rhythmus gehalten – schnell auch in die Kunstmusik der Zeit Einzug hielt. Berühmte Beispiele hierfür finden sich in Bachs Weihnachtsoratorium (Hirtensinfonia), Händels Messiah („Pifa“) und in Archangelo Corellis Concerto grosso g-Moll. 
Wie Kircher darlegt, ist die Form der „Pastorale“ vor allem in Italien von schlichten stilistischen Merkmalen geprägt, wie der bevorzugten Verwendung von Orgelpunkten, Bordunklängen und einfachen Harmoniefolgen. Der Band präsentiert dementsprechend reizvolle kurze Beispiele von Originalwerken aus der Feder von – teils kaum mehr bekannten – Komponis­ten wie Giovanni Battista Cervellini, Barto­lomeo Franzosini, Giambattista Ignazio Grazioli, Marco Lamperini, Lio Meneghetti, Giuseppe Antonio Paganelli und Filippo Serra, aber auch hinlänglich vertraute Werke von Domenico Zipoli, Corelli und Francesco Onofrio Manfredini, teils in zeitgenössischen Bearbeitungen überliefert. Zwei anonyme Stücke aus der Schweiz dokumentieren den nicht unähnlich gearteten alpen­ländischen Typ, während aus dem reichen, deutlich kunstvolleren und dem Genre des volkstümlich-schlichten Weihnachtsliedes (Noël) verpflichteten französischen Barockrepertoire (allerdings schon in zahlreichen anderen Ausgaben vorliegende) Beispiele aus dem Schaffen der Altmeister Jean-François Dandrieu, Louis-Claude Daquin, Nicolas-Antoine Lebègue und Jean-Jacques Beauvarlet-Charpentier präsentiert werden.
Mehr Interesse dürfte dann doch die Veröffentlichung von Pastoralmusik aus England wecken, die neben zwei (wiederum zeitgenössischen) Bearbeitungen aus dem Messiah von Händel reizvolle Kom­positionen von Philip Hayes, John Alcock Jr., Samuel Long, John Stanley, William Walond Sr. und Charles Wesley Jr. bereithält. 
Wenn auch nicht alle in diesem Band enthaltenen Stücke Erstveröffentlichungen sind und die der Gattungsform naturgemäß geschuldete Naivität der meisten Stücke eine zu intensive Rezeption durch den Spieler weniger ratsam erscheinen lässt, ist der vorliegenden Veröffentlichung doch insgesamt anzurechnen, dass sie eine reiche, bunte und auch recht praktische Auswahl an Genre-Musik für die Gestaltung weihnachtlicher Gottes­dienste und Konzerte offeriert. Die Veröffent­lichung hält in ihrem Anhang Angaben zur Überlieferung der einzelnen Werke sowie zu den jeweiligen Komponisten bereit.
 
Christian Brembeck