Hakim, Naji

Our Lady’s Minstrel

Three Poems für Sopran und Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 22299
erschienen in: , Seite 63
Mit Our Lady’s Minstrel legt der bei Paris lebende franko-libanesische Komponist und Organist Naji Hakim (*1955) ein weiteres Werk für Sopran und Orgel vor – eine Besetzung, der auch schon einige andere, ebenfalls bei Schott Music erschienene Werke wie sein Magnificat oder das Römische Triptychon zugedacht sind.
Ausgangspunkt ist hier die mittelalterliche Erzählung des Spielmanns Unserer Lieben Frau, in der es um einen Jongleur und Tänzer geht, der sich – der sündigen Welt überdrüssig – in ein Kloster zurückzieht. Als er sieht, mit welcher Hingabe die Mönche eine Statue der Jungfrau verehren, beschließt er, auf seine Art das Gleiche zu tun, und tanzt fortan in unbeobachteten Momenten vor der Heiligen Maria. Ein Wunder geschieht: Eines Abends erweckt er mit seinen Tanzdarbietungen die Statue zum Leben, und die Jungfrau lädt ihn ein, mit ihr zu kommen … Vor den staunenden Augen der anderen Mönche folgt der vor Erschöpfung dem Tode nahe Jongleur ihr nach.
 Das Werk präsentiert sich in 
interessanter Form: Von der Sopra­nis­tin und Klarinettistin Regula Schneider in Auftrag gegeben, besteht es aus zwei Sätzen für Klarinette und Orgel (Prelude and Dan­ce) sowie drei weiteren für Sopran und Orgel (Three Poems: I „Most sweet Queen“, II „Most sweet Friend“, III „Holy Mary“), welchen Textzitate aus der englischen Version der Legende zugrunde liegen. Jedes der zwei Stücke, aus denen das Werk besteht, dauert 10 bis 11 Minuten und kann einzeln oder auch mit dem anderen aufgeführt werden. In letzterem Fall würden Prelude and Dan­ce die Gesangsstücke umrahmen. Das „Prelude“ paraphrasiert das gregorianische „Salve Regina“ in einer langsamen Walzermanier. „Most sweet Queen“ greift diese Stimmung auf, wobei das aufsteigende Anfangsmotiv für den gesamten Zyklus bestimmend bleibt. „Most sweet Friend“ bildet im Scherzando den vor der Statue tanzenden Spielmann sinnfällig ab, und „Holy Mary“ kehrt zur Stimmung des Anfangs zurück, wobei die melodische Augmentation der Intervalle à la César Franck für aparte Momente sorgt. Schließlich bringt „Dance“ das Werk zu einem spritzigen, virtuos-effektvollen Schluss.
 Die Anforderungen an die Gesangsstimme (Umfang ais° bis a²), wie auch an den Klarinettenpart sind durchaus anspruchsvoll. Der Orgelpart, welcher meist begleitend angelegt ist und kaum solistisch hervortritt, ist als mittelschwer zu bezeichnen. Rhythmisch bietet Our Lady’s Minstrel bis auf einige Taktwechsel kaum nennenswerte Herausforderungen.
Harmonisch bleibt ja immer die Frage, wo bei Naji Hakim die Reise hingeht zwischen Messiaen’schen Modi, ajoutierten Tönen wie bei Debussy, Strawinskys Polytonalität oder Gershwins Jazzstimmungen … Bei diesem Werk ist klar, dass man eher in der music hall als beim Livre d’Orgue ist – was allerdings die thematische Vorlage mit dem Gegensatz eines Jongleurs in sakralem Kontext nahelegt.
 
Christoph Kuhlmann