Willscher, Andreas

Orgelwerke, Band 2

Drei heitere Orgelzyklen: Variationen über ein Thema von Paganini | Improvisationen über den Yankee Doodle | Sherlock Holmes Suite

Verlag/Label: Dr. J. Butz Musikverlag, BU 2553
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 60

Die humorvoll-hintersinnigen Orgelstücke des Hamburger Kom­ponisten und Organisten Andreas Willscher sind bei vielen Kollegen schon fester Bestandteil ihrer Programme vor allem bei Orgelkonzerten für Kinder, zu vergnüglichen Anlässen oder als mitreißende Rausschmeißer und Zugaben bekannt. Nun hat der Verlag Dr. J. Butz in seinem Band 2 der Orgelwerke Willschers drei heitere Orgelzyklen als umfangreichere Kompositionen herausgegeben.
Das erste Werk der Trilogie sind die Variationen über ein Thema von Paganini. Dieses ohrwurmartig bekannte triviale Thema ist ja in der Musikgeschichte des Öfteren auch von den „ganz Großen“ bearbeitet worden. Willscher betrachtet in seinem Zyklus das Paganini-Thema weniger aus dem virtuosen Blickwinkel, sondern er seziert eher wie Professor Boerne aus dem Münsteraner Tatort die Textur des Themas auf dem Operationstisch und setzt die fein säuberlich geordneten Bestandteile in einer lustigen Collage wieder zusammen.
Dies beginnt schon in der Introduktion, wo er die ständige Sequenzierung des Urmotivs persifliert und in der ersten Variation nur die Harmonien ausbreitet, die in der zweiten Variation mit Jazzakkorden und einem Drei-Achtel/Zwei-Achtel-Rhythmus unterlegt werden. In der dritten Variation wird die Melodie swingmäßig alteriert und begleitet. Des Weiteren folgen Glockenklänge, Umkehrungen in Dur, ein Pseudo-Boogie, eine Art Meditation, als „Anti-Hommage“ an einen vielgespielten (und gut bezahlten) lebenden walisischen Komponis­ten, einstimmige Episoden für Manual und Pedal, eine skurrile Fughette und Toccata mit dem Thema in langen Notenwerten im Pedal, übrigens das einzige Stück daraus, bei dem Pedalgebrauch zwingend notwendig ist.
Die Sieben Improvisationen über Yankee Doodle, wie man sie von verschiedenen Organisten hören kann, beginnen mit einer fanfarenartigen Introduktion und einer kantigen Harmonisation im Stil von Jean Langlais’ Soleil de France, wogegen in der folgenden „Valse musette“ ein imaginärer Titularorganist in Périgueux am Abend des französischen Nationalfeiertags weinselig die Marseillaise dazwischenmogelt. Nach einer coolen Hommage an Fats Waller versucht sich „eine alte Dame, die in ihrer Jugend einmal Klavierunterricht hatte“, an der Orgel, und ein Kathedralorganist mit zwei gebrochenen Armen, aber gesunden Spitzen und Absätzen an den Füßen. Vor einem Fugato und einen Toccatentorso wird auch noch der Geist Messiaens beschworen.
Die Sherlock Holmes Suite beginnt nach einem spannenden filmmusikalischen Intro mit einem Swing im 5/4- und 6/4-Takt, wobei „Ein trüber, nebliger Tag“ aus dem Hund von Baskerville evoziert werden soll. Beste Stimmung vermittelt „John Hamish Watson’s Rag“ im Tal der Furcht, ein Genre, das Willscher schon mehr als erfolgreich durch seinen Ragtime My Beethoven beackert hatte. „Die Jagd beginnt“ dann am Ende aus Abbey Grange mit einer atemlosen Perpetuum-mobile-Fuge. Hier schreibt ein wahrer Krimifan und -kenner! Es wäre wirklich interessant, die Sherlock Hol­mes Suite jeweils mit passenden Texten aus den Romanen zu spielen und zu hören.

Stefan Kagl