Haßler, Hans Leo (1564-1612)

Orgelwerke

Verlag/Label: SACD, Oehms OC 658 (2017)
erschienen in: organ 2017/02 , Seite 55

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Hans Leo Haßler (1564–1612) ist uns vor allem durch sein überaus reiches Vokalwerk (Messen, Motetten, Madrigale) geläufig; nicht zu vergessen seine Melodie zu dem Lied Mein G’müt ist mir verwirret, die in erster Linie als evangelisches Kirchenlied O Haupt voll Blut und Wunden (in vereinfachter rhythmischer Form, Text von Paul Gerhardt) weltweite Berühmtheit erlangt hat.
Haßlers heutzutage weniger bekannte Orgelwerke sind qualitativ indes mit den Vokalwerken gleichzusetzen und zeigen wie diese den Übergang von der Polyphonie der Renaissance zum barocken Stil venezianischer Prägung. Der Haßler-Forscher und -Herausgeber Ulrich Wethmüller bezeichnete den Komponisten gar als bedeutendsten deutschen Orgelmeister seiner Zeit und als Ausgangspunkt der im Schaffen Johann Jakob Frobergers gipfelnden süddeutschen Orgelschule. Die Hauptquelle von Haßlers Werken für Orgel bzw. Tasteninstrumente ist die Fugger-Tabulatur der Biblioteca Nazionale Torino. Sie umfasst 1770 Stücke „Claviermusik“ von ca. 1580 bis 1630 auf 2703 Seiten, notiert in neuer deutscher Orgel­tabulatur und ist somit weltweit die größte Sammlung dieser Art.
Joseph Kelemen, ausgewiesener Kenner der deutschen Orgelmusik des 17. Jahrhunderts und der Musik Bachs, hat aus dem reichhaltigen Orgelschaffen Haßlers auf der vorliegenden CD eine überzeugende Auswahl getroffen. Neben zwei Introitus-Kompositionen, zwei Canzonen, zwei Ricercari und drei Lied-Intavolierungen steht die große Orgelmesse (Missa Apostolorum) im Mittelpunkt, die wie die übrigen Werke Haßlers hohe kontrapunktische Meisterschaft zeigt. Für seine Aufnahme wählte Kelemen zwei bedeutende Orgeln aus: zum einen die große Freundt-Orgel (1642) in der Stiftsbasilika Klosterneuburg (bei Wien) und zum anderen die kleine­re, kammermusikalisch anmutende Günzer-Orgel (1609) in der Kirche St. Martin in Gabelbach (Deutschland). Das Gabelbacher Instrument stellt eine Besonderheit dar, da es sich um die einzige exis­tierende Orgel aus Haßlers Augsburger Zeit und Umfeld handelt.
Hinsichtlich der Wiedergabe der Orgelwerke betont Kelemen im Booklettext zur CD, dass Haßlers Tastenmusik das Spiel auf einem Manual voraussetzt, was in der vorliegenden Einspielung beachtet wurde; Soloregistrierungen kannte Haßler nicht. Selbstverständlich wurden auch an der großen Orgel von Klos­terneuburg mitunter „sparsame“ Registrierungen verwendet.
Die Qualität der eingespielten Kompositionen, die Klangpracht der verwendeten Orgeln und nicht zuletzt die exzellenten und stilsicheren Interpretationen Kelemens lassen kaum Wünsche offen.
Im Booklet sind die Dispositionen beider Orgeln sowie die verwendeten Registrierungen in übersichtlicher Form abgedruckt. Eine rundherum empfehlenswerte Edition, die auch als Ansporn verstanden werden kann, auf weitere Entdeckungsreisen im Orgelschaffen Haßlers zu gehen.

Achim Seip