Oskar Gottlieb Blarr

Orgelwerke (2007 bis 2017)

Verlag/Label: Cybele SACD 061701 (2017)
erschienen in: organ 2018/01 , Seite 60

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Die vorliegende CD ist ein einzigartiges Zeitdokument, das verschiedene Traditionen zu einem Gesamtkunstwerk zusammenführt. Der aus dem Ostpreußischen stammende Komponist, Organist und spätere Düsseldorfer Kirchenmusikdirektor Oskar Gottlieb Blarr kreierte 1965 zusammen mit der österreichischen Firma Rieger Orgelbau (Schwarzach, Vorarlberg) in der Düsseldorfer Neanderkirche „sein“ Instrument für zeitgenössische Musik. Bis heute ist diese Orgel ein qualitatives Markenzeichen in der Orgellandschaft Düsseldorfs.
Nach Kompositionsstudien bei Bernd Alois Zimmermann, Krzysz­tof Penderecki, Milko Kelemen und Günther Becker wurde Blarr später Dozent für Musiktheorie in Düsseldorf sowie Honorarprofessor. Seine Werke reichen von Opern, Oratorien, Sinfonien, Konzerten bis hin zur Kammermusik. Auffällig ist die Durchmischung verschiedener Stile auch aus der Kirchen- und Unterhaltungsmusik, die diese Platte zu einer bunten, manchmal heiteren Collage werden lassen. In gewisser Weise spiegelt sie auch die Präsenz des Neuen Geistlichen Liedes innerhalb der evangelischen Kirche wider, zumindest aber den praktischen Organisten und (evangelischen) Kirchenmusiker.
Mit Martin Schmeding und dem Label Cybele findet sich hier ein passender konstitutiver Rahmen für die vorliegende Aufnahme. Dabei bleibt die Orgel auch in dieser Einspielung natürlich ein Dokument ihrer Zeit. Die Zungen und Prinzipale stehen (noch) ganz im Zeichen der Orgelbewegung, wie sie damals eben auch von der Werkstatt Rieger realisiert wurde. Zudem ist die Neanderkirche ein recht hallarmer „kammermusikalischer“ Ort. Das tut aber gerade der vorliegenden Musik gut, da auf diese Weise Klarheit und Verständlichkeit ineinanderfließen. Schließlich handelt es sich zumindest nach dem ersten Hören nicht um Kirchenmusik im engeren Sinne.
Die Vier Tänze, entstanden zwischen 2007 und 2017, folgen sowohl weltlichen als auch kirchlichen Motiven. Sie sind stark von der kirch­lichen Unterhaltungsmusik geprägt. Drei Albumblätter (2012–13) sind verhaltene, nachdenkliche Studien; ein Satz ist auf dem Positiv realisiert. Die kurzen Fünf Intonationen von 2014 stehen dagegen ganz im Zeichen alttestamentarischer, christlich-jüdischer Themen. Schließlich folgt das Werk Bach-Pokal (2007) – Introduktion, Passacaglia und Choral als Orgelprobe in honorem Zacharias Hildebrandt.
Die verständliche Musik ist zumeist bitonal und oftmals tänzerisch angehaucht. Martin Schmeding ist für eine solche Unternehmung sicher der perfekte Interpret, der die Musik mit natürlichen Fluss und Charme zur Geltung bringt. Vielleicht spielt er manchmal sogar zu selbstverständlich diese doch immer auch mit einem Augenzwinkern versehene doppelbödige Musik.

Dominik Susteck