Genzmer, Harald

Orgelwerke

Festliches Präludium / Oster- und Pfingstkonzert / Finale / Sinfonisches Konzert Nr. 2

Verlag/Label: Chromart Classics TXA13023 (2013)
erschienen in: organ 2013/03 , Seite 56

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Im Œuvre des zuletzt in Mün-chen lebenden Komponisten Harald Genzmer (1909-2007) ist die Orgel in über fünfzig eigenständigen Werken repräsentiert, oftmals auch solistisch. Dabei gilt es noch einige Trouvaillen diskografisch zu erschließen, wie die vorliegende CD beweist. Sie enthält zur Gänze Erst­einspielungen – entsprechend hoch ist ihr Repertoirewert.
Mit dem emeritierten Detmolder Orgelprofessor Gerhard Weinberger findet Genzmers klar formulierte Musik ihr interpretatorisches Äquivalent. Dessen 1999 für organ realisierte Einspielung ausgewählter Solowerke für Orgel wurde mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Das eröffnende Festliche Präludium spielte Weinberger 2004 für den Komponisten anlässlich von dessen 95. Geburtstag. Plastisch artikulierend, im kräftigen Zungenplenum gestaltet er die freitonalen Unisono-Melodieverläufe, wohldosiert werden musikalische Kulminationspunkte hervorgehoben und aparte Poesie verströmt das ruhig fließende Arioso.
„Passion“ ist der erste Satz des Osterkonzerts (1984) überschrieben. Schneidende Akkordballungen im Fortissimo kontrastieren mit leisen Flötenmischungen, die sich wiede­rum mit zarten Streicherklängen abwechseln, ehe der Choral „Aus tiefer Not“ in großen Notenwerten auf der Hautbois 8’ des Schwellwerks durchgeführt wird. Nach einer Reminiszenz an den Anfang verklingt alles in den Schwebeklängen der Voix céleste. Überhaupt verfügt die 2001 erbaute dreimanualige Rieger-Orgel mit 46 Registern neben einem Fundus an sonoren labialen Grundstimmen über ein frankophon orientiertes „Récit expressif“. Effektvoll gebraucht Weinberger im Mittelsatz die Quintade 8’ im Rückpositiv und im weiteren Verlauf auch die Voix humaine 8’ mit Tremulant bei fast geschlossenem Schweller für das kantable Zitat aus „O Lamm Gottes unschuldig“. Toccatisch ornamentale Spielfiguren, eingebunden in changierende gerade und ungerade metrische Strukturen, paraphrasieren im Finale alsbald den im Pedal geführten Osterchoral Christ ist erstanden; hier kommt auch die sonore Bombarde 16’ wirkungsvoll zur Geltung. Genzmers seinerzeit bei Hindemith erworbene „klassi­zistische“ Handwerkskunst wird in ähnlicher Weise auch im Finale – Fantasie über den Choral Hinunter ist der Sonne Schein – und dem 1978 entstandenen Pfingstkonzert offenbar. Wesentliche Aspekte der hier vorherrschenden tonalen Diktion bilden wiederum in Metamorphosen-Technik verarbeitete Choralmelodien, die sinnfällig mit freithematischen Abschnitten bzw. Sätzen korrespondieren.
Abschließend dokumentiert das in den Jahren 1996/97 komponierte viersätzige Sinfonische Konzert Nr. 2 aufschlussreich die stilistische Geschlossenheit der Tonsprache in Genzmers Schaffen. In Verbindung mit der Aufnahmetechnik vermag Weinberger die Transparenz des mu­sikalischen Materials als umsichtig agierender Interpret überzeugend und vital darzustellen. Das Booklet (deutsch und englisch; Viten auch in Französisch und Japanisch) enthält u. a. neben Informationen zu den Werken zwei Abbildungen von autografen Handschriften.

Jürgen Geiger