Peter Bares

Orgelwerke

Dominik Susteck an der Orgel der Kunst-Station Sankt Peter Köln

Verlag/Label: Kunst-Station Sankt Peter Köln KS 1201 (2012)
erschienen in: organ 2012/03 , Seite 55

3 von 5 Pfeifen

Eine herausragende, aber auch eigenwillige Künstlerpersönlichkeit ist der 1936 geborene Kirchenmusiker Peter Bares. Dass er sich während seiner fast 25-jährigen Dienstzeit an St. Peter in Sinzig am Rhein einen Ruf als Organist, Komponist und Initiator der „Internationalen Studienwochen für Neue Geistliche Musik“ erwarb, schützte ihn nicht vor der von internationalen Protesten begleiteten Kündigung durch die römisch-katholische Kirche (1985).
Einen neuen Wirkungsort fand Bares 1992 an der „Kunst-Station Sankt Peter Köln“, wo er, wie schon in Sinzig begonnen, nun endgültig eine zeitgenössische Orgel nach eigenen Vorstellungen erbauen lassen konnte. Das von der Kölner Firma Willi Peter errichtete Instrument ist in seinem Kernbestand von neo-barockem, stark mixturbetontem Charakter, doch erweitert um ein ausgedehntes (von den Manualen und vom Pedal anspielbares) Schlagwerk mit Spezialregistern wie Xy­lo­fon, Glocken oder Becken. Dazu kommt weiterhin ein schwellbares Koppelwerk, auf dem dem Spieler Saxofonregister in verschiedenen Lagen, eine (deutsche) Horizontal-Trompeteria und Effektregister wie Aeolsharfe und Trillerpfeife zur Verfügung stehen. Der hergebrachte „Sakralcharakter“ der traditionellen Kirchenorgel wird so, ganz den Intentionen ihres Schöpfers gemäß, in Frage gestellt, indem sich das Instrument der Klanglichkeit der Theater-, Kino- bzw. Jahrmarktsorgeln gezielt öffnet. 
In der vorliegenden CD-Neuproduktion spielt Dominik Susteck, seit 2007 Amtsnachfolger von Bares an der Kunst-Station, Komposi­tionen seines Vorgängers und stellt dabei ostentativ die eigenwillige Disposition der Orgel von Sankt Peter in den Mittelpunkt seiner Interpretationen. Wenn es dabei wahrhaft unerhörte Klänge zu vernehmen gibt, so nicht im Sinne eines „Materialfortschritts“ im Tonsatz. Hier bewegt sich Bares durchaus in bereits ausgetretenen Bahnen der neue­­ren Orgelmusiktradition. Man entdeckt polyphone Strukturen, Toccatenhaftes, gregorianische Anklänge und Reizharmonien, wie sie aus der französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts bekannt sind. Doch die vertraute Syntax wird in erstaunliche, die Ohren befremdende Registerfarben gehüllt.
Wenn die vorliegende Auswahl aus seinem immensen Schaffen repräsentativ ist, so äußert sich Bares offenbar am liebsten in kleinen Formen. Die fünf Ludien von 1989 entpuppen sich als zwischen ein und zwei Minuten dauernde musikalische Aphorismen, ähnliches gilt für Bares’ 15 Gedanken und 12 Miniaturen. Am umfangreichsten fällt die Orgelfantasie Wort Gottes – lebendig, kräftig, schärfer aus, die anlässlich des Evange­lischen Kirchentags 2007 in Köln entstand. Aber auch sie erweist sich letztlich als lockeres Gefüge eher eigenständiger Teile. Besonders vergnüglich ist Bares’ Verarbeitung des Abendlieds Der Mond ist aufgegangen: Die bekannte Melodie zieht unbeeindruckt ihre ruhige Bahn, wird aber immer wieder in fantastische Wolkenschleier eingehüllt: da klingt es, als würden Glassplitter um das Gestirn herum gestreut oder als hätte jemand aus Schabernack der Mondsichel scheppernde Konservenbüchsen an den Schwanz gebunden.    

Gerhard Dietel