Kumpe, Andrea

Orgelunterricht für Jugend­liche und junge Erwachsene

Entwicklung eines integrativen instrumentalpädagogischen Lernansatzes

Verlag/Label: Bosse, Kassel 2014, 326 Seiten, 39,95 Euro
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 58

Eine Schrift, auf welche die Instrumentalpädagogen schon lange warten, die endlich mit Akribie und pä­dagogischem Spürsinn Handlungs- und Erfahrungsfelder für die OrgellehrerInnen bereit stellt. Die Autorin, Konzertorganistin aus Freiburg im Breisgau und seit 2013 Koordinatorin der Forschung und Weiterbildung an der Musikhochschule Luzern, hat hier eine grundlegende Studie zur Orgelpädagogik vorgelegt, die wertvolle Impulse sowohl pädagogisch-psychologischer wie instrumentalpädagogischer Art vermittelt. Als Promotionsschrift in wissenschaftlich-systematischer Absicht und Anlage fordert sie Profis der Unterrichtspraxis und Orgelstudenten heraus, ihr Tun analytisch-kritisch zu reflektieren und neue in­tegrative Voraussetzungen von Übe­­techniken und instrumentalem Lernen zu erschließen.
Neben einer Situations- und Inhaltsanalyse zum gegenwärtigen Stand des Orgelunterrichts und international vorliegender Orgelschulen liefert Andrea Kumpe eine detaillierte empirische Untersuchung aktueller Orgelpädagogik, wobei ein weit gesteckter Radius zu durchmessen ist: Von pädagogisch-philosophischen Grundlagen über Lernstrategien, Zielgruppenanalyse und methodisch-didaktische Spezifika bis zur pädagogischen Strategieplanung wird das gesamte derzeitige pädagogisch-terminologische Repertoire sozusagen als Repetitorium aufbereitet. Orgelunterricht für Ju­gend­­liche und junge Erwachsene ist also gleichzeitig ein Fortbildungslehrgang in die mittlerweile offen zutage liegenden „Geheimnisse“ von Instrumentalpäda­gogik in summa und eine daraus abgeleitete neue Orgelpä­dagogik in specie.
Wer in eigener Praxis das mühevolle Gewinnen junger OrgelschülerInnen und das Sichern und nachhaltige Motivieren dieser für den Gemeindegottesdienst immer kleiner werdenden Gruppe erlebt hat, wird von dieser Schrift zwar keine Patentrezepte für allzu schnelle und optimale Erfolge erwarten, dafür aber viele Anregungen zu optimierter Vorgehensweise und effektiver Umsetzung im eigenen Unterrichtsbetrieb erhalten. Interessant wäre noch eine entsprechende Erweiterung hinsichtlich musikalischer Erwachsenenbildung gewesen. Dieses Klientel klavieristisch vorgeschulter Laien ist ja existent und kann mittel- bis langfristig personelle Lücken aus­füllen, die durch die Verdrängungssymptomatik der kognitiven gegenüber den musischen Fächern im allgemeinschulischen Bereich immer deutlicher gerissen werden.
Der Moskauer Kompositions­professor Dmitri B. Kabalewski (1904–87) postulierte bereits, dass der moderne Musikerzieher umfassend gebildet sein müsse, wenn er den Ansprüchen eines zeitgemäßen Un­terrichtens überhaupt genügen wolle. Andrea Kumpes solide Theo­riekenntnisse voraussetzende und geduldiges Nachdenken über Feinstrukturen der Instrumentalpäda­go­gik beinhaltende Studie schließt sich diesem Desiderat an.
Ein lohnendes, durch viele Schaubilder ergänztes Buch, unterfüttert von einem umfangreichen Literaturverzeichnis. Es ist aber nicht ohne eine praktische Orgelschule denkbar, an welcher die Autorin derzeit bereits arbeitet und die ganzheitlich begründete Ansätze neuester Orgelpädagogik beinhalten soll. Darauf dürfen wir gespannt sein.

Wolf Kalipp