Organo Concertante

Werke von J. S. Bach, C. Ph. E. Bach, Händel und Mozart

Verlag/Label: Stichting Martinikerk Groningen, SMG-002 (2016)
erschienen in: organ 2017/03 , Seite 48

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In den Niederlanden hat sich bekanntlich eine große Fülle interessanter historischer Orgeln erhalten. So kann sich im nordholländischen Groningen die Martinikerk eines Instruments von Arp Schnitger aus dem Jahr 1692 rühmen, das heute zu den größten noch spielbaren Ba­rockorgeln Nordeuropas zählt.
Doch die Kirche birgt in ihren Mauern noch ein weiteres Kleinod: eine Chororgel, aufbauend auf dem ehemaligen Rückpositiv der Orgel der Klosterkirche St. Elisabethsdal in Nunhem (in der Nähe von Roer­mond/NL), die 1742/44 von dem Lütticher Orgelbauer Jean-Baptiste Le Picard im klassischen französischen Stil erbaut worden war. Mit der Aufgabe des Klosters 1799 war die Orgel in zwei Teilen verkauft worden:?Das Hauptwerk fand Platz im nahe gelegenen Roggel, das Rückpositiv wurde in der Pfarrkirche von Heythuysen aufgestellt und den neuen Gegebenheiten angepasst. Dort verblieb es bis 1939, als es für 150 Gulden zum Verkauf angeboten wurde und in der Martinikerk Groningen einen neuen Standort fand. Von 1962 an war das Instrument lange Zeit wegen der umfassenden Restaurierung der Kirche eingelagert worden. Seit dem Jahr 2001 aber steht die Le Picard-Orgel frisch restauriert im Chorraum der Groninger Martinikerk.
Die beiden Titularorganisten der Martinikerk, Leo van Doeselaar und Erwin Wiersinga, konzertieren regelmäßig auf diesen beiden Instrumenten und sie haben hier auch schon eine umfängliche Reihe von Tonträgern produziert. Eine der jüngsten Aufnahmen haben sie nun Werken gewidmet, in denen die Le Picard-Orgel als konzertierendes Instrument mit Orchester zur Geltung gebracht wird. Neben zwei Händel-Konzerten (aus op. 4 die Orgelkonzerte Nr. 4 und 6) und einem Konzert Carl Philipp Emanuel Bachs (G-Dur Wq 34, schon vom Komponisten nicht nur für Cembalo, sondern auch für die Orgel gedacht) finden sich auf der Einspielung noch Mozarts Kirchen­sonate C-Dur (KV 336) sowie J. S. Bachs beide „Sinfoniae“ mit konzertierender Orgel zu seiner zweitei­ligen Kantate BWV 35 „Geist und Seele wird verwirret“.
Die Einspielung vermag indes nur bedingt zu überzeugen. Das liegt beileibe nicht an den beiden Organisten – van Doeselaar spielt das Konzert C. P. E. Bachs und die beiden Kantaten-Sinfoniae, Wiersinga alle anderen Werke –, sondern an den Instrumentalisten des hier ebenfalls eingespielten Orchesters The Northern Consort. Die Streicher halten sich an ein recht schematisch anmutendes, fast mecha­nis­tisch gehandhabtes Gestaltungsmuster mit wie ausgestanzt wirkendem Figurenwerk und reichlich mo­nochromer Klanggebung. Nur in den langsamen Sätzen bekommt man den Orches­teranteil weniger steif und gestelzt, mit mehr Wärme modelliert zu hören. Das will zur stets agogisch biegsam und geschmeidig angelegten, frei ausschwingenden und farbliche Dif­ferenzierung suchenden gestalterischen Klangvorstellung der beiden Organisten so gar nicht stimmen. Zu einem leichten Nachteil gereicht dieser Aufnahme auch die die hallige und teilweise verunklarende Überakustik des Chorraums der Kirche.

Thomas Bopp