Organism – Terje Winge

Werke von Kjell Mørk Karlsen, Trygve Madsen und Kjell Flem

Verlag/Label: 2L (2016)
erschienen in: organ 2016/04 , Seite 58

3 von 5 Pfeifen

Mit mächtigen Orgelklängen beginnt die Sonata „De profundis“ von Kjell Mørk Karlsen mit dem ersten Satz „De profundis clamavi“. Die Musik bewegt sich größtenteils auf einer harmonischen Moll-Tonleiter, deren übermäßige Sekunde von der sechsten auf die siebte Stufe ausgereizt wird. Die nachfolgende „Monodi“ beginnt choralartig. Nach kurzen Einwürfen entwickelt sie sich zum romantischen Forte. Der dritte Satz „Aus tiefer Not“ ist eine bewegte Toccata mit eingefügten Akkorden. Der Luther-Choral wird deutlich erkennbar durchgeführt.
Mit Le Tombeau de Dupré schuf Trygve Madsen ein triumphalistisches Werk mit fünf Sätzen. Das fröhliche „Prelude“ bleibt aufgrund des dumpfen Orgelklangs wehmütig. Die „Fugue“ streift die französische Orgeltradition. In romantischer Verschlungenheit windet sie sich vom Piano zur Steigerung ins Forte, bricht dann aber schon nach wenigen Minuten ab. Das „Scherzo“ ruft ebenfalls Klangverbindungen Viernes und Duprés im Dreivierteltakt in Erinnerung. Im „Cantabile“ dominieren stampfende Basstöne. Das „Finale“ in französischer Toccata verdichtet sich mit tiefer liegenden Stimmen.
Kjell Flems Ecclesia in mundo ordnet sich als kräftige, symphonische Eröffnung in das vorherige Klangbild ein. Nach kurzem Rezitativo entwickelt sich eine rauschhafte Toccata. Die „Communion“ bildet einen Ruhepol mit Schwebung im geschlossenen Schweller. Feine Klänge zweier Melodien treten hinzu. An Messiaen erinnernde Modi bestimmen das Klangbild. Im „Jubilus“ kehrt die Musik zum sym­phonischen Gesamtklang zurück. Über den tiefen Zungen im Pedal bilden sich Klangtürme, die als Toccata in wilde Bewegungen ausarten. Überraschende Einbrüche und Zwischenteile zeigen noch einmal die ruhigeren Qualitäten der Orgel.
Die Jørgensen-Orgel von 1945 ist mit 94 Registern und rund 8000 Pfeifen eine der größten Orgeln Norwegens. Erstaunlich ist die relativ hallarme Akustik der Aufnahme. Offenbar trägt nicht zuletzt die Inneneinrichtung der holzgetäfelten Ålesund-Kirche entscheidend dazu bei. Interessant ist neben den vier großen Manualwerken auch ein eingebautes Fernwerk im Turm.
Insgesamt musiziert Terje Winge, der unter anderem bei Gaston Litaize in Paris studiert hat, sehr souverän. Die vorliegenden Werke sind stilis­tisch der späten Romantik zuzuordnen. Es handelt sich um gut funktionierende Stücke, jedoch stellt sich während der Dauer des Hörens ein gewisses Gefühl von Wiederholung ein. Dies ist sicher auch der Orgel geschuldet, die zwar einerseits sehr rund klingt, jedoch mit wenig Abwechslung aufwartet. Während die sehr opulenten Registrierungen fast durchweg dominieren, mangelt es an zurückhaltenden, leisen Klängen. Nicht zuletzt die Aufnahme von drei so mächtigen Werken trägt zu diesem Eindruck bei. Die CD ist doppelt auch als 2L-SABD-CD vorhanden, um dem Interessierten eine tiefergehende Hörerfahrung auf einer entsprechenden Anlage zu ermöglichen.

Dominik Susteck