Bach, Carl Philipp Emanuel

Organ Works with varied repeats

Verlag/Label: Dabringhaus und Grimm, MDG 906 1875-6 (2014)
erschienen in: organ 2015/01 , Seite 55

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Als interessanter Nachtrag zum Geburtstagsfeierjahr 2014 des bedeutenden Bach-Sohnes Carl Phi­lipp Emanuel ist die vorliegende Aufnahme des israelischen Orga­nis­ten Yuval Rabin zu verstehen. Rabin widmet sich anhand einer Auswahl des überlieferten Orgelwerks (Präludium in D Wq 70/7, Fantasia und Fuge in c Wq 119/7, Sonaten in F Wq 70/3, in a Wq 70/4 und D Wq 70/5) und einiger zusätzlicher kürzerer Stücke aus dem Clavierwerk Carl Philipp Emanuels intensiv und aufschlussreich der Thematik veränderter Reprisen, ergo der Möglichkeit, Wiederholungen mehr oder weniger reich zu verzieren, ohne den innewohnenden Affektgehalt zu verfremden. 
Diese Technik hat der Komponist selbst in zahlreichen Beispielen ausführlich dargestellt und erläutert (u. a. in der Sammlung Kurze und leichte Stücke mit veränderten Reprisen).Yuval Rabin hat sich in seiner Promotion zu dieser Thematik damit auseinandergesetzt und wendet seine entsprechenden Erkenntnisse bei den hier eingespielten Werken aufführungspraktisch an, indem er die schnellen Ecksätze der Orgelsonaten diesem Prozedere unterwirft, die langsamen und besonders „affecktuösen“ dagegen gar nicht oder kaum. Seine entsprechenden Einrichtungen der Veränderungen begründet Rabin auch ausführlich im lesenswerten Booklettext, wobei er zahlreiche erhellende Zitate aus Bachs Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen anführt. Insofern darf man von einer empfehlenswerten Veröffentlichung sprechen. 
Beim Anhören der Aufnahme ergeben sich dann aber doch ein paar Einwände, die hier kurz erwähnt sein sollen. Die Orgel (1779) der Kirche St. Peter zu Endingen stammt in ihren Grundzügen noch von dem bedeutenden badischen Orgelmacher Ferdinand Stieffell (1737–1818) und eignet sich grundsätzlich aufgrund ihrer Erbauungszeit gut für die Musik CPE Bachs; allerdings vermisst man die hierfür unverzichtbare atmende Windversorgung. Das Instrument klingt trotz natürlicher Aufnahmetechnik auf Dauer etwas kompakt; enervierend ist der unsaubere tiefe Ton der Posaune 8’ (Windprobleme?), der einfach zu häufig zu hören ist. 
Rabin spielt insgesamt sorgfältig, bevorzugt gleichwohl (zu) ruhige Tempi, die Puls und Affekt manch schnellen Satzes nicht ausreichend angemessen erscheinen und eine gewisse Behäbigkeit evozieren. Eine offensichtlich eher an herkömmlichem Legato-Spiel orientierte Artikulation lässt manche Phrase nicht genügend sprechen. Als Beispiel sei der dritte Satz aus der Sonate Wq 70/4 angeführt: Hier ist das Tempo so wenig flüssig, dass der intendierte „stürmende“ Affekt kaum wahrnehmbar ist – eventuell ist die Temponahme der „Unterbringung“ der spieltechnisch anspruchsvollen Veränderung aus Rabins Hand und Feder geschuldet. Dann aber verliert die Maxime, dass selbige dem „Affeckt des Stückes gemäß seyn“ müsse, ihren Sinn. Es bleibt freilich auch Geschmackssache, ob grundsätzlich wirklich jede Wiederholung als so ausgefeilt veränderte Reprise erklingen muss.
Christian Brembeck