Bach, Johann Sebastian
Organ Works
2 CDs
Bewertung: 2 Pfeifen
Die hier vorliegenden Einspielungen der großen Bachschen Orgelwerke stammen aus den Jahren 1981/ 82/85. Sie bilden als Reeditionen in der vorliegenden Form gewissermaßen das musikalische Vermächtnis des im November 2010 verstorbenen Organisten, Musikwissenschaftlers und Theologen Hubert Meister, dem es als Interpret nach eigenem Bekunden stets darum ging, insbesondere der Musik Bachs leichter die Zunge zu lösen und sie zum Sprechen zu bringen. Seine musikalische Alphabetisierung erhielt Meister bei den Regensburger Domspatzen. Neben Philosophie und (katholischer) Theologie studierte er Musik in München, Orgel in der Meisterklasse von Fernando Germani in Rom. Ab 1975 unterrichtete er in Regensburg, und von 1980 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2003 lehrte er als Professor für Musikwissenschaft und Musiktheorie an der Musikhochschule in München.
Welche ist die richtige Herangehensweise an Musik vergangener Epochen und speziell an die Musikschöpfungen des großen Bach? Möchte ein Künstler mit seinen Interpretationen gleichsam ein Dokument von überzeitlicher und im Falle (digitaler) Tonträgereinspielungen gar zeitloser Gültigkeit schaffen? Suggeriert nicht gerade die (Musik-) Wissenschaft dem intellektuell reflektierenden Interpreten mit ihren historischen bzw. philologischen Daten, Fakten und Wertungen gerne letztgültige, nicht selten zu Lehrmeinungen erhobene Wahrheiten? Beim Hören dieser sicherlich schon als historisch zu wertenden Einspielungen drängen sich diese Fragen nicht nur hinsichtlich des Spiels auf, sie stellen sich auch ob der Wahl der Instrumente. Ohne Zweifel, Hubert Meister ist ein versierter, technisch höchst akkurat agierender Organist, der wo immer angebracht mit Leichtigkeit und vitaler Spielfreude musiziert. Überzogenes Pathos kennt er nicht. Das Es-Dur-Praeludium, und auch die Fantasie BWV 542 kommen gar kammermusikalisch-ausgedünnt daher, das Choralvorspiel zu O Mensch, bewein dein Sünde groß frei von jeglichem überzogen-affektierten mater misericordiae-Lamento alter Schule. Und doch beschleicht den Hörer hier das Gefühl, dass die vorliegenden Bach-Einspielungen insgesamt doch zu glatt, zu weichgespült und poliert (weil auf Sicherheit gespielt!?) daherkommen. Also doch ein Bach mit Fragezeichen?
Dies mag zu einem gewissen Teil auch an den hier gewählten Instrumenten aus der Schweizerischen Werkstatt Mathis liegen, die allesamt in den Bässen zwar edel, in den manuellen Grundstimmen jedoch geradezu analytisch-präzise und schlank intoniert sind. Auffallend ist zudem eine gewisse Mixturenlastigkeit, die bei entsprechendem Dauereinsatz bei Organo pleno-Stücken (Präludien, Toccaten, Fantasien etc.) die Gehörnerven bisweilen arg zwiebeln können. Aber auch dies sollte man wohl bereits als historisch einordnen, als eine Art von Pseudobarockklang, wie ihn anno 1980 auch viele andere Orgelbauer als mehr oder weniger authentisch erachteten.
Wolfgang Valerius