Philip Moore

Organ Works

Stephen Farr an der Harrison & Harrison-Orgel der Kathedrale St. Albans in Hertfordshire (UK)

Verlag/Label: Resonus 10284 (2021)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2022/03 , Seite 63

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Das britische Label Resonus hat sich nicht auf Orgelmusik spezialisiert; trotzdem veröffentlicht es regelmäßig fantastische Orgel-CDs. Einen Schwerpunkt bilden dabei Aufnahmen mit Werken von (Gegenwarts-) Komponist:innen, die aus dem Vereinigten Königreich stammen. Der aus England stammende Organist Stephen Farr präsentiert hier Werke des 1943 in London geborenen Komponisten Philip Moore, der bei den Aufnahme-Sessions sogar zugegen war, was den Einspielungen eine zusätzliche Authentizität verleiht. Dass Moore eine profunde Ausbildung zum Organisten durchlaufen hat, ist seinen handwerklich hervorragend gearbeiteten und dabei stets orgelmäßig empfundenen Werken anzumerken. Auch das Schreibhandwerk liegt ihm: Die kon­zisen Kommentare zu den Werken hat er selbst verfasst.
Insgesamt neun Werke, drei davon mehrsätzig und umfangreicher (Sonata for Organ, Five Sketches on Helmsley und Sinfonietta), sind auf dem Album zu hören. Die ältesten Stücke sind die Sonata und Soliloquy (beide 1982), die jüngsten Laudate Dominum (2014) und Fanfare de Maris (2018). Moores moderat-mo­derne Tonsprache, die Dissonanzen nicht scheut, dabei stets auf Plastizität und Verständlichkeit abzielt, hat sich über die Jahre hin kaum verändert. Der Tonfall der Werke ist dabei immer eigen, „unique“, und wirkt auch da nie epigonal, wo der Komponist auf Muster oder Vorbilder rekurriert wie etwa bei dem Zyklus Variations and Fugue on East Acklam (2007). Das ruhigste Werk ist sicherlich die Pastorale, die Moore eigens für die Stahlhuth-/Jann-Orgel der Pfarrkirche St. Martin in Düdelingen (Luxemburg) geschrieben hat, das zerklüftetste dürfte die Sinfonietta (2001) sein. Das herrliche „Adagio, e espressivo, con rubato“ dieses viersätzigen Werks, das neben Impromptu (1987) und Laudate Dominum als Weltersteinspielung erklingt, zählt zum Intensivs­ten, was die CD zu bieten hat. Besondere Erwähnung verdienen noch die Five Sketches on Helmsley (1983), die auf der Helmsley-Melodie beruhen, die zu dem Lied Lo! He comes with clouds decending gesungen wird (sie ähnelt stark derjenigen von Der Mond ist aufgegangen). Diese Five Sketches markieren in meinen Ohren den Höhepunkt der in allen Punkten rundum überzeugenden CD.
Neben Organist Stephen Farr, der in der Musik seines Landsmanns regelrecht „at home“ zu sein scheint, ist es auch der Wahl des Instruments zu verdanken, dass aus dieser Disk eine buchstäblich runde Sache geworden ist. Die 1962 gebaute „Har­rison & Harrison“ der St. Albans Cathedral verfügt über 4500 Pfeifen. Auf der Website der Kathedrale ist zu lesen: „Das Instrument war revolutionär: Es war das erste für Kathedralen, das stimmhaft war und nach neoklassischem Vorbild gebaut wurde. Es enthält einige Pfeifenreihen – radikal umgestimmt – aus früheren Instrumenten. Die logische innere Anordnung und die klare Sprache der Pfeifen ermöglichen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Registern, die für Solomusik, Chorbegleitung und Gemeindegesang gut geeignet sind.“ Wir fügen hinzu: auch und gerade für die Musik Moores ist diese Orgel (mehr als) „gut geeignet“.

Burkhard Schäfer