Tunder, Franz

Organ Works

Pamela Ruiter-Feenstra an der Orgel der Örgryte Nya Kyrka Göteborg (Schweden)

Verlag/Label: Loft LRCD-1048/49
erschienen in: organ 2015/03 , Seite 59

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Der Orgelneubau in der Örgryte Nya Kyrka Göteborg ist um die Millenniumwende eines der organologischen Großprojekte gewesen, den Prototyp einer norddeutschen Orgel möglichst authentisch nachzubauen. Sie wurde im Kontext eines wissenschaftlichen Projekts des GoArt (Göteborg Organ Art Center) der Göteborger Universität erbaut. 
Drei Orgelbauer (Mats Arvidsson/Schweden, Henk van Eeken/Niederlande und Munetaka Yokota/Japan) waren daran beteiligt. Hans Davidsson und Harald Vogel zeichneten als projektleitende Experten für das Unternehmen verantwortlich. Die restaurierte Schnitger-Orgel von St. Jacobi in Hamburg war hierbei eine der wichtigsten Vor­bilder. So vereint das viermanuali-ge, reich disponierte Instrument in konsequenter Weise Bauprinzipien, Windversorgung, Stimmung (mitteltönige Stimmung mit Subsemitonien in allen Manualen), Winddruck, Intonation und alle anderen orgelbautechnischen Aspekte der Zeit von Scherer, Fritzsche und Schnitger in möglichst genauer De­tailtreue zu einem repräsentativen Modell einer norddeutschen Orgel des 16./17. Jahrhunderts.
Konsequenterweise wurde die vorliegende Aufnahme nicht mit einem elektrischen Orgelmotor, sondern mit drei Bälgetretern realisiert. Der klangliche Eindruck des Instruments ist allein in den vielfältigen Pleni großartig und steigert sich, ja türmt sich in den mächtigen und gekoppelten (großen) Plenums­mi­schungen auf, vom schnarrend-profunden Bass der Posaunen 32’ bis zu den brillant-rauschenden, stattlichen Klangkronen. Kammermusikalische Registrierungen und chorische Ensemblefarben kommen in dieser Aufnahme ebenso vielfältig zur Geltung wie ausdrucksstarke Solore­gis­trierungen und mehrfache Echo­­effekte wechselnder Couleur.
Pamela Ruiter-Feenstra hat sich in die Klangwelt dieser Orgel perfekt eingearbeitet und präsentiert die Musik Franz Tunders und das Instrument in äußerst ansprechender Registrierung und adäquater Spielweise. Eine saubere Technik erlaubt die Verwendung der Subsemitonien. Die ganze Aufnahme atmet in einer ruhigen, kontemplativen Atmosphäre in durchweg langsamer, unaufgeregter Interpretation, die daher dramaturgisch aber auch nicht immer ganz überzeugt. 
Da die Aufnahme schon 2001 entstand und sich weitgehend an die Breitkopf-Ausgabe hält, ist sie möglicherweise durch neuere Forschungen und Neuausgaben bereits überholt. Das als Fragment erhal­tene Praeludium in G wird durch eine Improvisation ergänzt. Pamela Ruiter-Feenstra hat sich, neben der Interpretation von norddeutscher Orgelmusik, eben auch auf die Improvisation in alten Stilen auf his­torischen Instrumenten spezialisiert. Eine klare und direkte Aufnahmetechnik bietet ein sprechendes Bild der Orgel, das Booklet stellt die Interpretin, die Werke mit Einführungstext und die Orgel samt Auflistung der Registrierungen in englischer Sprache in vorbildlicher Weise dar.
 
Stefan Kagl