Lemare, Edwin Henry (1866–1934)

Organ Works – Vol. 3

Verlag/Label: CDKlassisk-dk CDK1163 (2016)
erschienen in: organ 2017/01 , Seite 56

3 von 5 Pfeifen

Lars Rosenlund Nørremark bricht hier eine starke Lanze für Edwin H. Lemare, jenen 1865 auf der Insel Wright geborenen, 1934 im kalifornischen Los Angeles gestorbenen britischen Orgelvirtuosen und Komponisten, der zeit seines Lebens zu den weltweit angesehensten Meis­tern auf seinem Instrument gehörte.
Lemare verfügte über ein riesi-ges Repertoire (darunter unzählige Transkriptionen), mit dem er jahrzehntelang auf allen fünf Kontinenten als Konzertorganist auf Tournee war. Sein eigenes, zahlenmäßig gar nicht so unbeträchtliches Œuvre spielt indes heute im Konzertleben keine nennenswerte Rolle mehr, einmal abgesehen von den fulminanten Wagner-Operntranskriptionen. Um dem entgegenzuwirken, präsentierte der junge, 1979 geborene schwedische Organist Lars Rosenlund Nørremark be­reits im Jahr 2010 eine erste CD mit ausgewählten Werken Lemares. Eine zweite CD folgte zwei Jahre später. Nun ist mit Volume 3 die letzte Produktion aus der Serie erschienen – eine in jeder Hinsicht durch und durch gelungene und unbedingt hörenswerte Veröffent­lichung!
Nicht dass Lemare als Komponist neue Wege beschritten hätte, das sicher nicht. Seine Tonsprache bleibt ganz der Konvention der Spätromantik verhaftet, ob im frühen Marche Moderne op. 2 von 1884, den 1920 entstandenen Variations Sérieuses op. 96 oder den kurzen Paraphrasen über die populäre irische Melodie Londonderry Air von 1927. In den mehr als vierzig Jahren, die zwischen diesen Werken liegen, bleibt sich Lemare treu, lässt durchaus César Franck und Louis Vierne als Vorbilder seines sinfonisch geprägten, an der Chromatik Wagners geschulten Kompositionsstils erkennbar werden. Der virtuose Charakter etwa der Toccata di Concerto op. 59 verlangt nach flinken Fingern und Füßen – eine Partitur, die ähnliche olympische Kondition erfordert wie etwa Reubkes Sonate oder die großen Werke Liszts.
Lars Rosenlund Nørremark wird den Herausforderungen sowohl mit spielerischer Leichtigkeit als auch großer Musikalität gerecht. Seine Interpretationen spüren dem je eigenen Charakter der ganz unterschiedlichen Genrestücke stimmungsreich nach, unterstreichen das Poesievolle des Allegretto, den leicht sentimentalen Zug des Irish Air, das Monumentale der Grand Cortège.
Ganz vorzüglich eignet sich hierzu die spätromantische viermanua­lige Orgel im Dom zu Aarhus, 1928 von Theodor Frobenius unter Einbeziehung älteren Pfeifenmaterials errichtet, im Laufe des 20. Jahrhunderts dann geringfügig verändert und auf 89 Register vergrößert. Das Instrument ist diskografisch bereits vielfältig dokumentiert. Lemare lässt sich hier kompromisslos realisieren, die Orgel verfügt über schier unerschöpfliche Klangfarben, Kraft und Volumen – was sich für Nørremark gewiss inspirierend bei seiner Einspielung des Lemare-Programms auswirkte. – Zwei Wermutstropfen: Im Book­let ist leider nichts über die Orgel zu lesen, und mit nur 48 Minuten Spielzeit ist diese CD (allzu) schnell „abgespielt“: Auf dieser Scheibe hätte durchaus mehr Mu­sik aus Lemares umfangreichem Œuvre Platz gehabt!

Christoph Schulte im Walde