Reger, Max

Organ Works – Volume 15

Chorale Preludes, Op. 67, Nos. 16–35 / Monologues, Op. 63 Nos. 1–4 / Postludium in D minor

Verlag/Label: Naxos 8.572908 (2014)
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 52

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Das Label Naxos legt seit geraumer Zeit nach und nach eine Gesamteinspielung des Reger’schen Orgelwerks mit unterschiedlichen Interpreten auf recht verschiedenen Instrumenten vor. Auf Volume 15 ergreift der Künstlerische Gesamtleiter dieser Reihe und zugleich einer der weltweit interessantesten und bewunderungswürdigsten Organis­ten bzw. Orgelpädagogen, Wolfgang Rübsam, an „seiner“ (er war dort lange Jahre als Universitätsorganist tätig) E. M. Skinner-Orgel der Rockefeller Memorial Chapel der Universität von Chicago das Wort. 
Das Instrument aus dem Jahre 1927/28 stellt sich als typisch amerikanische spätsymphonische Orgel mit vielen eklektizistischen Elementen im besten Sinne dar. Nach (großteils wieder rückgeführten) neobarocken Umgestaltungen und erneuter behutsamerer Restaurierung (etwa mit Wiedereinbau der original bewahrten „orchestral strings“ und neuen Hochdruckfanfaren) präsentiert sich die Großorgel als vielfältiges und vielfarbiges Medium, das sich vor allem durch seine berückende Fülle an charakteristischen Grund- und Solostimmen für Regers Musik eignet. 
Genau dieser Fundus, der sich auf fünf schwellbare Werke oder Sektionen verteilt, kommt sowohl in den langsamen akkordlichen Passagen und in Regers wundersam lyrischen Kantilenen voll zur Geltung als auch in polyphonen Passagen, bei denen sich auf verschiedene Ebenen gleichzeitig Solostimmen mit unter­schied­licher Dynamik und Klangfarben bewegen. Auf subtilste Art macht Rübsam Gebrauch von den verschiedenen Manualen, Schwellwerken und Klangfarbenkombinationen, die er dem Hörer mittels weicher Agogik ganz im Sinne des Komponisten vermittelt, so dass man sich kaum daran satt hören kann. Dies stellt auch den absoluten Höhepunkt dieser CD dar, und so entstehen in den ruhigen Passagen der Monologe und der Choralvorspiele kostbare Momente intimsten Musizierens. 
Bei virtuoseren Passagen mit schnellen Läufen, Akkordkaskaden und in dramatischen Abschnitten erzielt Rübsam die an- und abschwellende Dynamik des dramatischen Geschehens zumeist durch das Öffnen und Schließen des symphonischen Schwellwerks, das er, zusammen mit den Grundstimmen, mit Zungen und Mixturen besetzt. Diese Art des Registrierens kennen wir aus seiner Reger-Aufnahme aus den 1970er Jahren an der Rieger-Orgel der Abtei Marienstatt. Diese Gestaltung der Dynamik ist natürlich sehr wirkungsvoll, doch so auf deutsch-romantischen Instrumenten der Reger-Epoche nicht darstellbar. Hier wurden Crescendi im kräftigeren Fortebereich zumeist durch stufenloses Betätigen des Registercrescendos bewältigt, da das deutsch-romantische Schwellwerk meist nur mit leiseren Stimmen besetzt war. 
Rübsams Spiel ist (wie immer) makellos, technisch überaus sou­verän und vermittelt Klarheit und Ruhe. Der Organist vermeidet es zumeist, die wogende Dynamik Regers durch wechselnde Agogik zu unterstreichen. Wie Rübsam selbst es in seinem launigem Artikel „,Intelligente‘ Fingersätze. Praktische Ratschläge zur Ökonomie des Orgelübens“ (in organ 1/2007) als „fröhliche Grashüpfer-Technik“ be­schreibt, hält er auch ein strenges Legato in vielen bewegteren Abschnitten von Regers Musik für unnötig und artikuliert oftmals in entspannter Weise, ohne dabei die Gestaltung größerer musikalischer Bögen zu vernachlässigen. 
Bei den Choralvorspielen bestechen besonders die leisen Regis­trie­rungen durch ihren ätherischen Farbenreichtum. Die Tempogestaltung der gespielten Folge aus Opus 67 richtet sich nach einem ruhigem Choraltempo der Romantik, das jedoch im Gegensatz zu den Tempoangaben Regers zu etwas eintönigen Ergebnissen kommt. Wie bei den Monologen ist seine Agogik eher statisch, vielmehr setzt Rübsam Akzente durch kleinsträumige agogische Verzögerungen, die an die barocke Gestaltung von rhetorischen Figuren der historischen Aufführungspraxis erinnern möchte. Dass dabei die rhythmische Wirkung von Figuren, wie z. B. die Abfolge von einer Achtel- und zwei Sechzehntelnoten, verzerrt erscheint, mag im Kalkül des Interpreten liegen, überzeugt aber bei der genau metrisch fixierten und auch so gemeinten Musik der Spätromantik weniger. 
Eine gute Aufnahmetechnik, die Klarheit und Atmosphäre vermittelt, überzeugt, das recht spärliche Booklet (in englisch und deutsch) leider nicht.
 
Stefan Kagl