Günter Raphael

Organ Music, Volume One

Ville Urponen an der Orgel der Pauluskirche in Helsinki

Verlag/Label: Toccata, TOCC 0759 (2025)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2025/03 , Seite 61

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Angesichts seiner großen Klasse als Komponist klassischer Musik nahezu aller Genres hat Günter Raphael (1903–60) diskografisch einen unverständlich schweren Stand. Von seinen fünf mit einer Nummer belegten Sinfonien (seine späte, Von der großen Weisheit titulierte Chorsinfonie kann als 6. Sinfonie „durchgehen“) gibt es nur eine einzige, unvollständige historische Einspielung vom Label CPO in zum Teil wenig inspirierenden Mono-Aufnahmen der 1950er und 60er Jahre. Raphaels (grandiose!) erste Sinfonie, die 1926 im Gewandhaus Leipzig von keinem Geringeren als Wilhelm Furtwängler uraufgeführt wurde, hat unter der Stabführung von Fabian Enders erst vor wenigen Monaten das diskografische Licht der Welt erblickt (Prospero). Die Günter-Raphael-Edition des Labels Querstand, ebenfalls zum Teil in mono, ist über das Volume 7 nie hinausgekommen.
Noch düsterer sieht es aus bei Orgel-CDs von Günter Raphael. Meines Wissens gab es hierzu keine Tonträger – bis zum Erscheinen der vorliegenden CD. Auf ihr ist die Trias seines Opus 41 (Fantasie und Fuge über einen finnischen Choral
op. 41, Nr. 1, Partita über einen finnischen Choral op. 41, Nr. 2, und Passacaglia über einen finnischen Choral op. 41, Nr. 3) zu hören; alle drei Werke entstanden 1939.
Der finnische Organist Ville Urponen hat aus dem Stand heraus eine Referenzaufnahme des Opus 41 vorgelegt und sich dafür ein Instrument ausgesucht, das für diese Musik schlicht ideal ist: die 1931 von Kangasala, der ersten finnischen Orgelmanufaktur, gebauten und 2005 von Veikko Virtanen im Stil von 1931 restaurierten Hauptorgel der Pauluskirche in Helsinki.
Günter Raphaels Musik wird oft mit der Orgelbewegung und deren neobarockem Klangideal in Zusammenhang gebracht. Die Werke auf der CD sind aber nur insofern neobarock zu nennen, als sie auf baro­cken Formen wie Partita, Passacaglia und Fuge beruhen. Es liegt ganz sicher nicht nur an dem romantisch disponierten Instrument und der großartigen Registrierungskunst seines idealen Interpreten Ville Urponen, dass Raphaels finnische Trias – man kann sie hervorragend wie ein überdimensioniertes dreisätziges Werk am Stück hören – nicht klingt wie die Musik seiner „orgelbewegten“ Kollegen Ernst Pepping, Hugo Distler oder Anton Heiller. Was die Verarbeitung und Durchführung ba­rocker Formen betrifft, bewegt sich Raphael irgendwo (aber sehr souverän!) zwischen Rheinberger, Reger und Hindemith, wobei mich die fast pur-barocke und chromatik-freie Partita am wenigsten und die formal meisterhaft gebaute, dabei emotional unmittelbar packende Passacaglia am meisten überzeugen. Die beiden zuletzt genannten Werke basieren auf Melodien des finnischen Organisten und Komponis­ten Heikki Klemetti, dessen ebenfalls bei Toccata erschienene CD mit Orgelwerken in organ 4/2024 besprochen worden ist. Man kann nur inständig hoffen, dass Ville Urponen die Reihe mit Orgelwerken von Günter Raphael fortsetzt; dieses erste Album ist ein starker Auftakt!

Burkhard Schäfer

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