Jean Langlais
Organ Music, Volume 2
Giorgio Benati, Fausto Caporali, Alessandro Perin an der Ruffati-Orgel der Pfarrkirche von San Vittore M., Villa Cortese (Mailand), der Tamburini-Bonato-Orgel im Dom San Lorenzo zu Padua sowie der Diego-Bonato-Orgel in der Abtei Santo Stefano, Isola della Scala
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Im Jahr 2023 startete Brilliant – auf hohem Niveau! – seine Einspielung der Orgelwerke von Jean Langlais (1907–91) mit dem Volume 1 (vgl. die Rezension in organ 4/2023). Das nun erschienene Volume 2 schließt in fast jeder Hinsicht an den Beginn der Reihe an. Es spielen nicht nur dieselben drei italienischen Organisten an verschiedenen italienischen Orgeln, auch die „chaotische“ Art der Werkdarbietung ist gleich geblieben: Die Stücke erklingen weder in chronologischer Reihenfolge noch nach Gattungen geordnet.
Um mehr über dieses Langlais-Projekt zu erfahren, sprach ich im Vorfeld dieser Rezension mit dem Organisten Fausto Caporali. Von ihm erfuhr ich unter anderem, dass das Projekt auf 20 CDs, also noch zwei weitere Volumes à 5 CDs, ausgelegt ist und insgesamt 174 Werke zu Gehör bringen soll. Damit ist es nicht ganz so ambitioniert wie die The Complete Organ Works of Jean Langais betitelte Edition, die die Organistin Ann Labounsky zwischen 1979 und 2003 für das Label Voix du Vent auf 26 CDs eingespielt hatte und auf der, laut Website, 356 „Tracks“ zu hören sind.* Da mir diese Edition aus den USA nicht vorliegt (sie wird in Europa leider nicht vertrieben), weiß ich nicht, ob es sich bei den 356 Tracks um Stü-
cke (bzw. Sätze) oder Werke handelt.
Von Caporali hörte ich ferner, dass sowohl er als auch seine beiden Kollegen langjährige Erfahrungen mit französischer Orgelmusik haben. Caporali selbst studierte in Frankreich bei Daniel Roth und hat Werke von Vierne und Franck eingespielt. Giorgio Benati war einst noch Schüler von Langlais und steht heute in Kontakt mit dessen zweiter Frau Marie-Louise Langlais, die das Brilliant-Projekt und die Organisten unterstützt, auch und gerade hinsichtlich der Noten. Alessandro Perin gilt als ein Experte für die Orgelmusik von Jean Guillou und Marcel Dupré. „Wir drei Organisten wollten bei der Interpretation der Werke und ihrer Abfolge auf den CDs genauso frei sein wie Langlais selbst, der extrem viele Stile beherrschte und in seinen Kompositionen souverän damit spielt. Und wir haben die Stücke so auf die drei Orgeln verteilt, wie sie unserer Meinung nach am besten dazu passen“, so Caporali. „Dabei haben wir darauf geachtet, dass sich anspruchsvollere Werke mit leichter zugänglichen abwechseln.“
Das klingende Resultat überzeugt mich noch mehr als das des ohnehin schon sehr guten Volume 1. Die Stücke sind wirklich so angeordnet, dass man jede der fünf CDs wie bei einem gut gemachten Konzeptalbum von Anfang bis Ende durchhören kann. Und obwohl es sich hier nicht um Super-Audio-Aufnahmen handelt, könnten die Akustik und die Klangqualität kaum besser sein. Keines der Stücke wird am Schluss ausgeblendet oder „abgewürgt“, jedes kann ausklingen und sich in die Stille hinein vertiefen, was bei Orgelmusik-Produktionen alles andere als selbstverständlich ist.
Vor allem aber begeistern der Klang der Orgeln sowie die ungemein farbigen, lebendigen und herrlich registrierten Werkdarstellungen. Dazu Caporali: „Unsere Art, die Musik von Langlais darzustellen, ist italienisch, das muss man akzeptieren. Wir sind drei Italiener, spielen auf drei der besten Orgeln Italiens – und wir interpretieren die Werke in der Tradition unseres Landes, das heißt: opernhaft, melodramatisch und singend.“ Langlais, so Caporali, habe ein Faible für die italienische Musik gehabt, was am deutlichsten in seiner Hommage à Frescobaldi von 1951 (zu hören auf Vol. 1) zum Ausdruck komme. „Er war ein Kosmopolit, nicht nur Franzose wie Dupré, sondern stilistisch auf der ganzen Welt zu Hause, und genau das wollen wir den Hörern der CDs vermitteln.“ Dies ist den drei Organisten auf ganzer Linie gelungen!
Ein letztes Wort noch zu den Werken, die auf dem Volume 2 zu hören sind. Von den größer dimensionierten Kompositionen sind das: die Première (1941–42) und Troisième Symphonie (1959, rev. 1979), Huit Chants de Bretagne (1974), Suite Médiévale (1947), Sept Études de Concert (1983), das Triptyque (1956) und Mosaique 1 (1977), die Trois Offertoires (1990) und Trois Méditations Sur la Sainte Trinité (1962) sowie das Triptyque Grégorien (1978) und die Folkloric Suite (1937, 1952).
Burkhard Schäfer
* https://ohscatalog.org/the-complete-organ-works-of-jean-langlais-ann-labounsky/